Liebe Freunde und Familie,
Für uns sind erst zwei Tage in Delhi vergangen, und wir müssen gestehen – wir sind wirklich überwältig, aber größtenteils im positiven Sinne.
Abgesehen davon, dass wir bereits am Flughafen versucht wurden, hereingelegt zu werden, lief bisher alles ganz gut.
Aber beginnen wir gerne mal von vorne:
Der Flug von München über Jeddah nach Delhi verlief ohne große Schwierigkeiten. Für mich (Jessi) war es der erste Langstreckenflug überhaupt, und ich war sehr von den doch recht komfortablen Sitzen überrascht. Mit Kissen, Decke, Schlafmaske und Ohrenstöpseln stand meinem Schlafen nicht mehr viel im Weg – außer dem Film Dune 2, den ich auf dem Bildschirm anschaute und der allein fast drei Stunden des fünfstündigen Fluges einnahm.
Der Zwischenstopp in Jeddah (Saudi-Arabien) war nachts, und für unsere innere Uhr war es etwa 1 Uhr morgens, als der nächste Flug startete. Auf diesem Flug verzichteten Sascha und ich auf einen Film und versuchten wirklich, so viel wie möglich zu schlafen. Am Ende waren es vielleicht maximal zwei bis drei Stunden.

Unausgeruht, aber voller Aufregung, landeten wir gegen 10 Uhr in Delhi, erhielten unseren ersten Stempel im Reisepass und machten uns auf den Weg, um ein Taxi zu suchen. Dabei liefen wir wahrscheinlich in den erstbesten Scammer hinein.
Mit der Zusicherung, dass er uns für ca. 700 Rupien (7 €) bis vor die Haustür unserer Gastfamilie fahren würde, waren wir einverstanden – diesen Preis hatte unsere Gastfamilie uns davor schon angekündigt.
Ich gab ihm die Adresse in „Kirti Nagar“ und die Telefonnummer unseres Hosts und war mir sicher: Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Denkste. Nach ca. zehn Minuten Autofahrt gab der Taxifahrer vor, er rufe nun Naresh (unseren Host) an, und reichte mir das Telefon. Am anderen Ende erklang die Stimme eines jungen Mannes:
„Yes Ma’am, you ordered a room with us? I am sorry to tell you, but we are fully booked. You need to go somewhere else.“
Ich war schon ein wenig nervös, erklärte dem Taxifahrer aber schnell, dass das nicht Naresh sein könne, denn seine Stimme klingt anders. Der Taxifahrer entschuldigte sich vielmals und meinte, er habe sich bestimmt verwählt. Er rief erneut jemanden an, redete kurz am Telefon und gab mir dann wieder den Hörer. Dieses Mal erklang eine ältere Stimme:
„Hi Jessica, here is Naresh. I am sorry to tell you, but there is a wedding at our home, and you have to go to another hotel. The taxi driver will get you to a very nice hotel.“
Ich legte auf, erklärte dem Taxifahrer erneut, dass das nicht stimmen könne, und schrieb unserer Gastfamilie per WhatsApp, ob sie einen Anruf erhalten hatten. Sascha war derweil mit dem Taxifahrer am Diskutieren und bestand darauf, uns trotzdem zur angegebenen Adresse zu fahren. Wir würden uns trotz der angeblichen Hochzeit dort melden und das weitere Vorgehen besprechen.
Währenddessen rief ich Naresh per WhatsApp an, um diesen Unsinn zu klären. Als der Taxifahrer das mitbekam, erklärte er, dass es wahrscheinlich durch Schwankungen im Netz zu den Fehlleitungen gekommen sei. Er würde es nun noch einmal bei unserem Host probieren.
Diesmal hatte der Taxifahrer tatsächlich Naresh am Telefon, der ihm erklärte, wie er zu fahren hatte. Sascha und ich ließen Google Maps nebenher mitlaufen und waren uns dann sicher: Ok, er fährt uns jetzt zur richtigen Adresse. Zum Glück haben wir das durchschaut.
Diese Scammer-Methode ist wohl ziemlich üblich, wie uns später erklärt wurde. Man nennt diese Taxifahrer „Schlepper“. Sie bekommen für jeden Gast, den sie in ein bestimmtes Hotel bringen, eine Provision. Erst wenn sie merken, dass die Touristen sich ein wenig auskennen oder einen indischen Kontakt haben, hören sie mit diesem „Scam“ auf und bringen einen ans Ziel. Es war ein wenig Nervenkitzel für uns, aber wir haben es gut überstanden.
Gegen 11 Uhr morgens empfinden uns Naresh und seine Frau Renu daraufhin sehr herzlich. Mit Kaffee, Tee und süßem Gebäck begrüßten sie uns in ihrem Haus und freuten sich darauf, uns kennenzulernen.
Nach ein wenig gemeinsamen Plaudern ruhten Sascha und ich uns für ca. 1–2 Stunden aus, bevor wir uns mit einer von Naresh geplanten Tour auf den Weg zur Metro machten.
Erste Erfahrungen in Delhi
Die Metro in Delhi kann man sich vorstellen wie in Paris oder London. Man kauft eine Karte, die man immer wieder mit Geld aufladen kann. Mit einem Guthaben von ca. 200 Rupien (2 €) kommen wir laut Naresh gut 2–3 Tage durch die Stadt. Man legt die Karte an einem Durchgang auf und bewegt sich dann durch das gesamte Schienennetzwerk von Delhi. Beim Verlassen der Metro wird der entsprechende Betrag abgebucht.
Die Bahnen waren sehr voll, und Sascha und ich waren die einzigen Europäer in der gesamten Bahn. Die auffallenden Blicke der umstehenden Leute sind doch recht ungewohnt und man fühlt sich wie eine kleine Berühmtheit – teilweise ist das doch recht unangenehm. Das sollte sich auch in den nächsten Tagen nicht ändern. Mindestens zwei indische Männer waren sichtlich fasziniert von der Länge meiner Beine und diskutierten angeregt darüber, wo sie wohl anfangen und aufhören. Allgemein ist Sascha hier ein „großes“ Highlight, da er mit seinen 1,90 m fast alle Inder überragt und sich regelmäßig den Kopf in der Metro anschlagen würde, wenn er sich nicht duckt. 😄

Unser erster Halt am Sonntag war das Red Fort, die alte Festungsanlage von Delhi. Das „rote Fort“ trägt seinen Namen wegen des auffallend roten Sandsteins, aus dem die ehemalige kaiserliche Residenz besteht. Vor dem Platz des Forts waren wir das Highlight für viele Inder. Innerhalb weniger Minuten waren wir von Menschen umringt, die uns nach gemeinsamen Fotos fragten. Wir wollen gar nicht wissen, auf wie vielen Fotos wir am Ende gelandet sind, ohne davor gefragt worden zu sein.
Das Red Fort hat nur einen sehr schmalen Eingang, der vom indischen Militär überwacht wird. Als die Security auf uns aufmerksam wurde, wurden wir direkt an der langen Schlange von Einheimischen vorbeigeführt und zum Kassenwart gebracht. Der Eintritt kostet für Einheimische ca. 35 Rupien (ca. 0,40 €) und für Ausländer 550 Rupien (ca. 5,50 €).
Ein Verhältnis, das wohl auf den durchschnittlichen Lohn der Einheimischen zurückzuführen ist – und weil Touristen meist deutlich mehr Geld mitbringen.
Durch einen separaten Eingang, vorbei an den langen Schlangen, ging es für uns durch die Sicherheitskontrollen. Vor jeder größeren Sehenswürdigkeit sowie jedem Bahnzugang gibt es Scanner, die die mitgebrachten Taschen durchleuchten, sowie Metalldetektoren und eine Person, die von Hand abscannt. Danach betraten wir schließlich die Festung.
Was sich hinter den Mauern erstreckte, war durch und durch beeindruckend. Die Anlage umfasst ca. 100 Hektar und ist von einer 2,4 km langen Verteidigungsmauer umgeben. Die Höhe der Mauer variiert zwischen 18 und 33 Metern. Das Rote Fort wurde während des Höhepunkts des Mogulreiches von Kaiser Shah Jahan zwischen 1639 und 1648 erbaut. Fun Fact: Der Mogulkaiser Shah Jahan ist auch bekannt für die Erbauung des Taj Mahals.
Im Inneren des Red Forts fanden wir zunächst einen kleinen Basar und schließlich eine große grüne Fläche mit vielen einzelnen Gebäuden, die über das Gelände verteilt sind. Wir verbrachten allein in der Anlage etwa zwei Stunden und sind sicher, dass wir nicht mal die Hälfte gesehen haben. Meistens hielten wir uns von den großen Menschenmassen fern, da wir sonst sehr schnell angesprochen wurden, um Fotos zu machen. Dabei entdeckten wir auch abgelegenere Monumente, die leider teilweise in einem schlechteren Zustand waren. Es schien, als würden nur die stark besuchten Bereiche gut instand gehalten, während die Randbereiche der Festung weniger gepflegt werden. Trotzdem konnten wir die Ruhe an diesen Orten genießen und entdeckten dabei zufällig eine kleine Kunstgalerie sowie ein Tor, das von Elefantenstatuen umrahmt war.

Wir verließen das Fort wieder durch den Haupteingang und trafen einen Mann, der sich als „Helikopter-Taxi“ bezeichnete, dabei jedoch seine Fahrradrikscha meinte. Wir verhandelten einen guten Preis – vermutlich immer noch zu viel – und ließen uns zur nächsten Sehenswürdigkeit fahren, die nicht weit vom Red Fort entfernt lag. Einmal quer durch den Gegenverkehr und enge Gassen, und wir kamen an der Moschee Jama Masjid an.

Indien ist zwar überwiegend (ca. 80%) hinduistisch geprägt, doch es gibt auch eine große muslimische Gemeinde (ca. 13% der Bevölkerung). Um den nötigen Respekt zu zeigen, zogen wir unsere Socken und Schuhe aus. Ich erhielt einen Umhang, der meinen ganzen Körper bedeckte, und Sascha bekam ein Tuch, um seine nackten Beine zu verdecken.
Die Moschee sieht von außen beeindruckend aus, doch Ausländern ist der Zugang zum Inneren verwehrt. Sie ist die größte Moschee Indiens, eine der größten der islamischen Welt und wurde um 1656 erbaut. Für einen Eintritt von 300 Rupien (ca. 3 €) sieht man jedoch leider nur recht wenig. Zudem war es vermutlich kurz vor dem Nachmittags- oder Abendgebet, sodass es sehr voll war (man verzeihe mir meine Unwissenheit). Viele Menschen befanden sich auf dem riesigen Vorplatz. Auch hier wurden wir wieder von einigen Leuten um Fotos gebeten. Keine zehn Minuten nach unserem Eintritt verließen wir das Gelände und kehrten zu unserem Rikscha-Fahrer zurück, der uns zum nahegelegenen „Sikh-Tempel“ brachte.
Ich versuche nun, so gut es geht, das zusammenzufassen, was uns Naresh über diesen Ort erzählt hat:
Der Sikh-Tempel „Gurdwara Sis Ganj Sahib“ ist einer der neun historischen Gurdwaras in Delhi. Er ist ein Gebäude, das wie eine Art Schrein angesehen wird. Die Sikh-Gurus sind die spirituellen Begründer des Sikhismus, der 1469 mit Guru Nanak entstand. Nach ihm folgten neun weitere menschliche Gurus, bis 1708 der Guru Granth Sahib, die heilige Schrift, als ewiger Guru bestimmt wurde.
Die Gurdwara Sis Ganj Sahib, in Old-Delhi, markiert den Ort, an dem der neunte Sikh-Guru am 11. November 1675 auf Befehl eines Mogulherrschers enthauptet wurde. Seit 1979 salutiert das Sikh-Regiment der indischen Armee während der Parade zum Tag der Republik zuerst vor der Sis Ganj Gurdwara, bevor es den Präsidenten Indiens grüßt.
Da man hier nicht ohne bedecktes Haar und Knie den Tempel betreten darf, musste Sascha draußen warten, während ich das Gebäude betreten durfte – mit einem Schal um den Kopf und meiner langen Hose. Der reich geschmückte Tempel ist innen sehr beeindruckend: Vieles ist aus Gold, und der Boden ist mit Teppichen ausgelegt. Während meines kurzen Besuchs fand ein Gottesdienst statt, weshalb ich nicht lange blieb.
Dafür das ich nur fünf Minuten im Tempel gewesen war, fand ich Sascha draußen von vielen Einheimischen umringt, die alle ein Foto mit ihm machen wollten. Lustigerweise hatte jemand sogar meinen Platz in der Rikscha eingenommen und unterhielt sich mit Sascha, bis ich auftauchte.
Nach dem Tempel ging es zu unserer letzten Station: dem Spice Market (Gewürz Markt). Am Sonntag findet hier auch eine Art Flohmarkt statt, sodass wir wenig von den aufgetürmten Gewürzen und Trockenfrüchten sehen konnten, die normalerweise präsentiert werden. Wir werden diesen Ort auf jeden Fall noch einmal aufsuchen.
Todmüde machten wir uns auf den Weg zurück zu unserer Gastfamilie. Renu zeigte mir, wie man indisches Daal kocht und abschmeckt. Kurz darauf wurde uns das leckere Essen serviert. Selten haben wir so köstliches indisches Essen gegessen, und wir nahmen uns mehr als einmal Nachschlag. Für alle, die jetzt interessiert aufhorchen: Wir mussten bisher keine Kohletabletten einnehmen. 😉

Unser Zimmer bei Naresh und Renu ist klein, aber gemütlich: eine sehr harte Matratze auf dem Boden, ein kleines Sofa und ein frisch renoviertes eigenes Bad mit Regenwalddusche – das wird unser Zuhause für die nächsten Tage.
Die restlichen Erfahrungen in Delhi werde ich in einem separaten Beitrag schildern. 😊
Ich hoffe, dieser Bericht hat euch gefallen und ihr konntet einen Eindruck von unseren Erlebnissen gewinnen.
Liebe Grüße aus Delhi!
Jessi und Sascha
P.s.: Hier noch eine kleine Bildergalerie (diese lässt sich an einem Laptop wesentlich besser betrachten als am Handy)