Ni Hao, liebe Freunde und Familie,
Bis hierher hatte China uns schon auf gewisse Weise überzeugt. Wir liebten die Ruhe, die wenigen Touristen um uns herum und vor allem, wie einfach es war, hier ohne Bargeld zurechtzukommen!
Für uns ging es wieder mit dem Zug von Chengdu nach Xi’an (Lautschrift: Schi-an). Das sind ca. 700 km, die zwischen den Städten liegen. Verrückt, wie groß dieses Land ist! Aber Xi’an ist eine bedeutende kulturelle Stadt in China.
Sie bietet nicht nur die Terrakotta-Armee, sondern auch eine beeindruckende Altstadt, eine alte Stadtmauer, den Startpunkt der Seidenstraße und jede Menge alter Tempel! Und vor allem: Diese Stadt ist voller junger Leute, sie sprudelt förmlich über vor Jugendlichkeit – auch wenn sie gleichzeitig so alt ist. Das Nachtleben ist laut, und es ist da! Wir fanden es beeindruckend.
Aber erst einmal mussten wir in unserem Hotel einchecken. Eigentlich hatten wir uns ein tolles Hostel herausgesucht, aber als wir das Zimmer betraten … An den Wänden hatte sich Schimmel gebildet und erstreckte sich hoch bis zur Lüftung. Für eine Nacht hätte ich das vielleicht noch hingenommen, aber nicht für drei. Sascha hatte bereits die Rezeption informiert, aber das einzige Zimmer, das sie uns anbieten konnten (oder wollten), kostete das Vierfache unseres gebuchten. Da beschlossen wir kurzerhand, das Hotel zu verlassen. Das Geld bekamen wir sofort zurückerstattet, und wir machten uns auf die Suche nach einer neuen Unterkunft.
Über die einschlägigen Buchungsseiten fand Sascha direkt ein Hotel auf der anderen Straßenseite, nur ca. vier Minuten entfernt. Es kostete zwar acht Euro mehr (30 € pro Tag), machte aber einen deutlich besseren Eindruck. Wir liefen kurzerhand rüber und fragten an der Rezeption (via Übersetzungs-App), ob noch ein Zimmer für uns frei wäre. Sie boten uns spontan eine kleine Suite für 30 € pro Nacht an – inklusive Frühstück. Da sagten wir definitiv nicht nein! Ich glaube, ich machte kleine Luftsprünge, als wir das Zimmer betraten, das sich fast so groß anfühlte wie unsere halbe Wohnung. Wir fühlten uns sofort wohl und machten es uns bequem.
Ich schrieb Azza bereits per Instagram, dass wir eingecheckt hatten und uns jederzeit treffen könnten. Wir verabredeten uns eine Stunde später. Sie fügte noch hinzu, dass sie einen Kommilitonen mitbringen würde, der aus Xi’an kommt und uns viel mehr zeigen könnte als sie. Wir waren damit mehr als einverstanden und verabredeten uns am Bell Tower – einem großen Tempel, der mittlerweile das Zentrum eines Kreisverkehrs bildet.
Leider verspäteten sich die beiden allerdings um knapp 40 Minuten. Sascha und ich suchten uns erst einmal etwas zu essen – wir waren beinahe am Verhungern. Schließlich trafen Azza und Wang ein, und wir verstanden uns auf Anhieb prächtig mit ihm. Wir baten ihn direkt um Hilfe beim Streetfood, da wir nie genau wussten, was wir bedenkenlos essen konnten und was vielleicht nicht so gut war. Sascha wollte seit Beginn unserer Reise eigentlich in irgendeinem Land eine Foodtour machen – und die bekamen wir nun von Wang.
Er führte uns schnurstracks ins Muslimische Viertel, das nur so vor Leben pulsierte. Überall gab es kleine Läden und Stände, zu denen er uns führte und uns mehr als einmal einlud, indem er uns das Essen kaufte und hinhielt. Wir probierten uns durch so viele verschiedene Gerichte – das kann man sich kaum vorstellen.
Lammspieße, Dumplings gefüllt mit Suppe, Bohnenpasten-Pancakes, scharfe Erdnüsse, saftiges Rindfleisch in kleinen Broten… Mir wurde fast schlecht von der Menge an Essen, die er uns immer wieder hinhielt und wir probierten. Aber es war auch wirklich lustig, das alles gemeinsam zu erleben. Bald stieß auch Uthman zu uns und wir streunten weiter durch die Gassen von Xi’an.
Wang führte uns aus dem muslimischen Viertel hinaus, zeigte uns die anderen Einkaufsstraßen, lief an der Moschee vorbei, die sich in einem alten Tempel verbirgt (leider war sie schon geschlossen), und führte uns in die Nachtszene von Xi’an, die sich direkt unterhalb der Stadtmauer befindet.
Überall leuchteten uns die Neonschilder entgegen und mehr als einmal deutete Wang auf verschiedene Striptease-Clubs, die er uns seiner Meinung nach nur zu gerne gezeigt hätte. Aber dafür waren wir noch viel zu früh dran. Das beginnt wohl erst kurz vor Mitternacht, hier, und um 22 Uhr waren das noch Open-Mic-Clubs.
Wir durchquerten eines der vielen Stadttore, wo sich die sogenannten “Wallsinger” aufhalten. Xi’an bietet insgesamt 17 Universitäten in der Stadt, darunter auch eine Musik- und Künstler-Universität. Die Musikstudenten verdienen sich ihr Geld und ihre Bekanntheit, indem sie abends an der Stadtmauer die besten Plätze sichern und ihr Talent zeigen. Wir gerieten in eine riesige Menge, die sich um drei junge Männer versammelt hatte und in deren Coversong einstimmte. Ich bekam richtig Gänsehaut.
Von der Stadtmauer aus bewegten wir uns in das Künstler- und Bücherviertel. Hier kann man viele Antiquitäten finden, alte Bücher, Künstler, die ihre Bilder ausstellen… Vieles hatte leider schon geschlossen, aber trotzdem war es sehr angenehm.
Da Uthman und Azza zurück zur Universität mussten (wo sie wohnen), weil die Uni gegen 22:30 Uhr die Türen schließt und niemanden mehr hineinlässt, verabschiedeten wir uns alle voneinander mit dem Versprechen, uns am nächsten Tag wiederzutreffen. Wang kündigte bereits an, dass ein Freund aus dem Norden ihn für einige Tage besuchen würde und ob es in Ordnung sei, ihn mitzubringen. Aber klar doch!
Sascha und ich fielen totmüde und gut genährt ins Bett und verschliefen am nächsten Morgen beinahe unser Frühstück. Wir mussten früh raus, denn unser Plan für den Tag war die Terrakotta-Armee! Diese liegt allerdings mit der Bahn ca. 1,5 Stunden außerhalb von Xi’an und danach fährt man noch etwa 20 Minuten mit dem Auto.
Aber wir standen trotzdem gegen 10 Uhr am Eingang, wimmelten die ganzen Reiseleiter ab, die uns fragten, ob wir nicht eine Tour haben wollten (natürlich für ein gutes Trinkgeld). Da wir jedoch unsere eigenen Erfahrungen machen wollten, suchten wir uns unseren Weg durch die große Anlage, die das Grab umgibt, und kamen schließlich am Eingang von Grube 1 an.
Kurzer Hintergrundcheck:
Die Terrakotta-Armee wurde für den ersten Kaiser Chinas, Qin Shihuangdi, errichtet. Er regierte von 221 bis 210 v. Chr. und war der Herrscher, der China erstmals vereinte. Sein riesiges Mausoleum, das bis heute nicht vollständig ausgegraben wurde, sollte ihn auch nach dem Tod beschützen. Es gibt Theorien, dass sich aus seinem Namen „Qin“ (Lautschrift: Tschin) der Name „China“ ableitet.
Die Entdeckung der Terrakotta-Armee war ein absoluter Zufall. 1974 stießen Bauern bei Grabungsarbeiten für einen Brunnen auf die ersten Tonfiguren. Als Archäologen dann begannen, die Gegend genauer zu untersuchen, wurde schnell klar, dass es sich um eine gigantische unterirdische Anlage handelt. Die Ausgrabungen dauern bis heute an, weil die gesamte Anlage unfassbar groß ist und Archäologen vorsichtig vorgehen müssen, um die Figuren nicht zu beschädigen.
Es gibt insgesamt drei Hauptgruben, die sogenannten Pits. Pit 1 ist die bekannteste und größte – hier stehen Tausende von Soldaten in Kampfformation, genau so, wie sie vermutlich einst aufgestellt wurden. In Pit 2 wurden verschiedene Spezialeinheiten wie Bogenschützen, Kavallerie und Streitwagen entdeckt, während Pit 3 vermutlich das Hauptquartier war, da dort hochrangige Offiziere standen.
Das Mausoleum von Qin Shihuangdi selbst ist noch nicht geöffnet worden, und das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es Berichte, laut alten chinesischen Texten, insbesondere aus den Shiji, den „Aufzeichnungen des Chronisten“ von Sima Qian, dass das Grab des Kaisers ein komplexes unterirdisches Reich mit Flüssen und Seen aus flüssigem Quecksilber enthalten soll. Diese Quecksilberströme sollten die echten Flüsse Chinas symbolisieren und angeblich sogar mechanisch bewegt worden sein, um sie wie echte Wasserläufe wirken zu lassen.
Interessanterweise haben moderne wissenschaftliche Untersuchungen in der Region tatsächlich extrem hohe Quecksilberwerte in der Erde rund um das Mausoleum festgestellt. Das könnte darauf hindeuten, dass an der alten Legende etwas Wahres dran ist und tatsächlich große Mengen Quecksilber im Inneren des Grabes vorhanden sind.
Aus Überlieferungen geht zudem hervor, dass Kaiser Qin versuchte, sich unsterblich zu machen. Qin Shihuangdi war besessen von der Idee, unsterblich zu werden, und suchte sein ganzes Leben lang nach einem Elixier des ewigen Lebens. Historische Berichte sagen, dass er regelmäßig Pillen mit Quecksilber einnahm, weil seine Alchemisten glaubten, sie würden ihm Unsterblichkeit verleihen. Er starb jedoch kurze Zeit nach den Anfängen dieser Versuche.
Wenn man das mit der Theorie verbindet, dass Qin Shihuangdi an einer Quecksilbervergiftung starb, ergibt sich eine gewisse Ironie: Der Kaiser suchte nach Unsterblichkeit und nahm über Jahre hinweg quecksilberhaltige Elixiere ein – und gleichzeitig ließ er sein eigenes Grab mit Quecksilberflüssen ausstatten, die vermutlich für die Ewigkeit bestehen sollten.
Zum anderen fehlt noch die Technologie, um das Grab zu öffnen, ohne die darin enthaltenen Schätze und Wandmalereien sofort zu beschädigen. Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, denn als die ersten Terrakotta-Krieger ausgegraben wurden, verloren sie innerhalb weniger Stunden ihre ursprünglichen bunten Farben, weil sie mit Luft in Kontakt kamen. Heute versuchen Wissenschaftler, eine Methode zu finden, um die Farben und Materialien besser zu erhalten, bevor das Mausoleum geöffnet wird.
Die gesamte Anlage ist heute eine der größten archäologischen Entdeckungen der Welt und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es ist kaum zu fassen, dass all das vor über 2.000 Jahren geschaffen wurde – und dass Qin Shihuangdi schon zu Lebzeiten an seinem eigenen monumentalen Grab gearbeitet hat, als wäre er sich sicher gewesen, dass seine Macht über den Tod hinaus bestehen würde.
Genug Geschichtsexkurs!
Wir standen genau vor dieser Armee, die sich im Pit 1 erhebt. Und verdammt, was für ein beeindruckender Anblick! Pit 1 ist die größte der drei Gruben und beherbergt ca. 2000-2200 restaurierte Terrakotta-Krieger. Allerdings geht man davon aus, dass hier ursprünglich 6000 Krieger standen. Jeder von ihnen hat eigene Gesichtszüge, und man geht davon aus, dass die Krieger den echten Soldaten nachempfunden wurden, die zu Zeiten von Kaiser Qin in seiner Armee gekämpft haben.
Wenn man Pit 2 betritt, sieht man eine weitläufige, aber teilweise leere Ausgrabungsstätte. Hier wurden Bogenschützen, Kavallerie, Streitwagen und schwere Infanterie gefunden – also die Spezialeinheiten der Armee. Viele Figuren sind noch zerbrochen oder nicht vollständig restauriert. Einige gut erhaltene Krieger und Pferde stehen in Glasvitrinen, damit man sie aus nächster Nähe betrachten kann.
In Pit 3 hingegen sieht alles kleiner und kompakter aus. Hier stehen nur etwa 68 Krieger und ein Streitwagen, was im Vergleich zu Pit 1 und Pit 2 recht wenig ist. Forscher glauben, dass Pit 3 das Hauptquartier der Armee war, da die Krieger höher rangig wirken und strategisch angeordnet sind. Viele Figuren haben keine Waffen, was darauf hindeutet, dass sie eher für die Planung als für den Kampf vorgesehen waren.
Für uns gab es nur wenige englische Hinweisschilder oder Informationen, die wir lesen konnten. Doch zum Glück waren Google, Reiseblogs und Wikipedia unsere verlässlichen Reiseführer. Wir lasen uns gegenseitig die spannendsten Fakten über unser Ausflugsziel vor und tauchten so noch tiefer in die Geschichte ein.
Es war definitiv beeindruckend, die Terrakotta-Armee mit eigenen Augen zu sehen, und die Geschichte dahinter ist wirklich faszinierend. Doch nach den ersten beeindruckenden Reihen verliert die zweihundertste Figur im Vorbeigehen etwas von ihrem Wow-Effekt. Versteht uns nicht falsch – wir würden diesen Ort auf keinen Fall missen wollen, und jeder, der nach Xi’an reist, sollte ihn unbedingt besuchen. Allerdings hatten wir das Gefühl, dass man nach etwa 30 Minuten das Wesentliche gesehen hat. Im Vergleich dazu bietet die Stadt selbst noch so viel mehr zu entdecken!
Gegen 14 Uhr kehrten wir nach Xi’an ins Hotel zurück, gönnten uns einen entspannten Nachmittag und verabredeten uns gegen 17 Uhr mit Azza und Jasmine. Ich hatte Lust, mir die Nägel machen zu lassen – und bei einem Preis von gerade einmal 8 € ließ ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen. Ein bisschen Farbe konnte schließlich nicht schaden. 😉
Gegen 18:30 Uhr trafen wir uns mit Wang und seinem Freund Xinyang. Er kommt aus Harbin, einer der kältesten Städte Chinas, wo im Winter riesige Eisskulpturen gebaut werden. Die Temperaturen dort fallen regelmäßig auf -40 °C. Xinyang war richtig begeistert, uns kennenzulernen, und versuchte, so viel wie möglich mit uns zu reden – auch wenn Wang oft als Übersetzer zwischen uns einsprang.
Schon in Chengdu hatte ich viele junge Frauen in traditionellen Hanfu-Gewändern gesehen, die vor Wahrzeichen posierten. Und irgendwie wollte ich das auch mal ausprobieren. Wang kannte zum Glück einen guten Laden, in dem man sich Hanfus aus verschiedenen Dynastien aussuchen und sich dazu passend stylen lassen konnte.
Sascha entschied sich sogar auch für ein Outfit, verzichtete aber auf die Perücke, die ihm lange schwarze Haare verpasst hätte. Ich hingegen war unsicher, was ich mit meinen Haaren machen sollte – die Vorstellung, sie schwarz ansprühen zu lassen, war mir dann doch ein bisschen unheimlich.
Zuerst suchte ich mir ein wunderschönes blaues Kleid aus der Han-Dynastie aus und ließ mich schminken. Ich wusste, dass viele Asiaten sich gerne etwas heller schminken, als ihr natürlicher Hautton ist. Aber ich dachte, ich wäre schon blass genug – und dann: Holy Shit. Ich bekam so viel Make-up ins Gesicht geklatscht! Ich glaube, ich hatte noch nie so eine dicke Schicht drauf. Immer wieder schaute ich in den Spiegel und dachte mir: „Puh, Jessi, trust the process. Das wird schon gut aussehen am Ende!“
Und tatsächlich: Auch wenn es ein bisschen too much war, wusste die Stylistin genau, was sie tat. Sie schminkte mich perfekt, setzte kunstvolle Haarteile ein und verlieh meinem Look den letzten Schliff. Trotzdem erkannte ich mich am Ende kaum wieder – mit den langen schwarzen Haaren, die sich über meinen Rücken ergossen, sah ich aus wie ein völlig anderer Mensch.
Ein Fotograf führte uns zu verschiedenen Fotospots und lichtete uns in unterschiedlichen – manchmal für unseren Geschmack etwas zu albernen – Posen ab. Azza, Jasmine, Wang und Xinyang waren dabei unsere größten Anfeuerer und trugen geduldig unsere Jacken und Taschen mit sich herum. Natürlich durfte ein gemeinsames Foto am Ende nicht fehlen! Mehr als einmal wurden wir auch von anderen in traditionelle Hanfus gekleideten Menschen nach gemeinsamen Bildern gefragt.
Nachdem Azza und Jasmine zurück zur Uni mussten, nahmen Wang und Xinyang uns in Beschlag. Wieder in unseren normalen Klamotten – wenn auch ich noch mit dem ganzen Make-up im Gesicht – führten sie uns durch die Stadt und zeigten uns die berühmten Anfänge der Seidenstraße.
Kurzer Geschichtsexkurs:
Die Seidenstraße erstreckte sich über mehrere Tausend Kilometer und verband China mit dem Römischen Reich. Sie war nicht nur eine Handelsroute für Seide, Gewürze, Edelsteine und andere wertvolle Güter, sondern auch ein kultureller Korridor. Religionen, Technologien und Ideen reisten mit den Karawanen – so gelangte beispielsweise der Buddhismus über diese Route nach China und beeinflusste Kunst und Gesellschaft nachhaltig. Hier in Xi’an nahm die Seidenstraße einst ihren Anfang, und noch heute zeugt eine kunstvoll gestaltete Straße davon. Entlang der gesamten Strecke stehen Figuren, die Händler aus verschiedenen Epochen und Regionen darstellen – von chinesischen Kaufleuten über zentralasiatische Reiter bis hin zu persischen, arabischen und europäischen Reisenden. Diese Darstellungen verdeutlichen die kulturelle Vielfalt und den internationalen Austausch, der die Seidenstraße so einzigartig machte.
Nachts war die Straße besonders beeindruckend – wunderschön beleuchtet und voller Leben. Man konnte das pulsierende Nachtleben förmlich spüren. Während wir noch ein wenig durch die Straßen schlenderten, halfen wir Xinyang, ein Mitbringsel für seine Freundin in Harbin zu finden. Danach führte uns Wang gegen 0:30 Uhr in ein chinesisches BBQ-Restaurant.
Xinyang und Wang bestellten wild drauflos und fragten uns mehrmals, ob wir nicht auch verschiedene Innereien probieren wollten – was wir allerdings höflich ablehnten. Trotzdem füllte sich unser Tisch rasch mit Köstlichkeiten, und schon bald saßen wir lachend und laut plaudernd in dem rund um die Uhr geöffneten Restaurant. Wir waren bei weitem nicht die einzigen Gäste um diese Uhrzeit – das Nachtleben in Xi’an schien kein Ende zu nehmen.
Bis 2 Uhr nachts tauschten wir uns aus, zeigten Bilder aus unserer Heimat und erklärten ihnen vieles über das Leben in Deutschland. Xinyang und Wang waren überrascht, als sie erfuhren, dass nicht jeder in Deutschland in einem eigenen Haus wohnt – sie dachten, Wohnungen gäbe es bei uns gar nicht. Als ich ihnen Bilder vom Wasen und dem Oktoberfest zeigte und unsere „traditionelle“ Bekleidung – Dirndl und Lederhosen – erklärten, waren sie absolut fasziniert. „Das sieht aus wie im Märchen!“, staunte Wang begeistert. Außerdem waren Wang und Xinyang von unseren Weinbergen begeistert – sie fanden sie richtig schön und träumen nun davon, uns irgendwann in Deutschland zu besuchen, um unsere Kultur kennenzulernen. Wir können nur sagen: Wir würden uns riesig freuen, die beiden bei uns willkommen zu heißen! Wir hoffen, dass der Kontakt bestehen bleibt und wir sie eines Tages wiedersehen.
Als kleines Dankeschön für ihre Gastfreundschaft luden wir sie kurzerhand zum Essen ein. Natürlich versicherten sie uns gefühlt tausendmal, dass sie uns das zurückzahlen würden – doch wir winkten lachend ab. Schließlich hatten sie uns so viel von der Stadt und den vielen Facetten Chinas gezeigt, dass wir keinen besseren Weg sahen, uns zu revanchieren, als mit einem gemeinsamen Essen.
Gegen 3 Uhr nachts kehrten Sascha und ich erschöpft, aber glücklich ins Hotel zurück. Wir schliefen bis 9 Uhr, bevor wir uns auf den Weg zum Frühstück machten. Die Auswahl an internationalem Frühstück war leider eher bescheiden, aber immerhin gab es Cornflakes und Toast mit Marmelade (und endlich mal Messer & Gabel! :D).
Unseren letzten Tag in Xi’an wollten wir entspannt angehen. Gegen Mittag machten wir uns zur Stadtmauer auf, zahlten überteuerten Eintritt (26 €), weil noch alle Aufbauten vom Laternenfest standen, und liefen ein gutes Stück entlang dieser endlos erscheinenden, schnurgeraden Mauer. Man kann hier oben auch Fahrräder leihen und die gesamte Mauer umrunden (ca. 13 km), aber da der Fahrradverleih fast genauso viel kostete wie unser Eintritt, entschieden wir uns für eine kürzere Strecke. Nach knapp 2 km, ein paar coolen Fotos mit den Laternen und einer Stunde Spaziergang verließen wir die Mauer wieder, um uns mit den anderen zu treffen.
Unsere Verabredung führte uns in ein Hundecafé. Wang brachte heute noch Jojo mit, eine Freundin von ihm, die nach einer frischen Trennung ein wenig Ablenkung brauchte. Und was könnte da besser sein als zwei deutsche Touristen, die kein Wort Chinesisch sprechen, und ein paar süße Hundebabys?
Allerdings entpuppte sich das „Hundecafé“ als… sagen wir mal, äußerst wild. Neben Hunden und Katzen begegneten wir zwei Schlangen, einer Kuh, einem Schwein, einem Capybara, zwei Erdmännchen, einem Leguan und – haltet euch fest – einem verdammten Fuchs.
So etwas würde es in keinem europäischen Land geben! Sascha und ich waren teilweise richtig entsetzt über die Haltungsbedingungen und den Umgang mit den Tieren. Wer bitte kam auf die Idee, Wildtiere in ein Café zu stecken?!
Zwar genossen wir es, endlich wieder ausgiebig mit Katzen zu kuscheln, und die kleinen Shiba-Welpen waren wirklich purer Zucker, aber das ungute Gefühl überwog schnell. Nach einiger Zeit hatten wir genug und beschlossen, das Café zu verlassen.
Wir schlenderten gemeinsam durch die Stadt, und zwischendurch kauften Jojo und Wang uns glasierte Früchte, die es hier wirklich an jeder Ecke gibt. Plötzlich hielten sie uns ein Stäbchen mit großen, glänzenden Früchten hin – chinesische Hagebutten, die viel größer sind als unsere. Was sollen wir sagen? Schön, es mal probiert zu haben… aber ein zweites Mal würden wir sie wohl nicht kaufen.
Während wir noch überlegten, was wir am Abend unternehmen könnten, nahm Xinyang uns die Entscheidung kurzerhand ab: Er brauchte noch ein zweites Geschenk für seine Freundin und wollte ins Künstler- und Bücherviertel von Xi’an. Da wir beim letzten Mal nur die geschlossenen Läden gesehen hatten, waren wir sofort dabei!
Xinyang fand schließlich einen Laden, in dem man Stempel aus Stein mit individuellen Gravuren anfertigen lassen konnte. Er suchte einen schönen Stempel für seine Freundin aus und fragte uns dabei nach unserer Meinung. Als Sascha und ich ihm zwei besonders schöne Stempel zeigten, nahm er sie kurzerhand beide – nicht für sich, sondern für uns. Dann bat er Jojo, unsere chinesischen Namen auf Papier zu schreiben, denn er wollte uns die Stempel als Erinnerung an diese wundervollen drei Tage in Xi’an schenken. Wir waren gerührt und suchten gemeinsam mit Jojo unsere chinesischen Namen heraus, bevor es hieß, dass wir in 60 Minuten wiederkommen sollten.
Während wir auf die Stempel warteten, erkundeten wir erneut das Viertel und fanden in einem kleinen Souvenirladen einen weiteren Stempel für mein Buch. Die anderen waren fasziniert davon, wie ich die Stempel sammelte, und fanden es besonders schön, dass ich sechs verschiedene übereinandergelegt hatte, sodass sie ein Gesamtbild ergaben. Tatsächlich fanden sie es so beeindruckend, dass ich es gleich zwei weitere Male wiederholen durfte.
Jojo und Xinyang hatten außerdem die Idee, dass ich ihnen eine kleine Widmung auf Deutsch schreiben sollte. Am Ende signierten wir alle gegenseitig unsere Bilder. Xinyang nutzte die Gelegenheit, um uns zukünftige Glückwünsche für unsere Hochzeit zu hinterlassen und wünschte uns eine Ehe, die für immer halten solle. Jojo und Xinyang ließen sich die Bilder anschließend rahmen – und ich denke, ich werde mein Bild zu Hause vorsichtig aus dem Buch lösen und ebenfalls einrahmen. Eine wunderschöne Erinnerung!
Kurz darauf überraschte Jojo uns mit einem weiteren kleinen Geschenk: Bücherlesezeichen als Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit. Azza setzte noch einen drauf und zog zum Abschied einen kleinen Magneten aus Tunesien aus ihrer Tasche, den sie Sascha und mir überreichte.
Der Abschied fiel uns nicht leicht. Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander – wissend, dass wir sie alle in unserer nächsten Stadt, und vor allem nach unserer Chinareise, sehr vermissen würden. Sie alle haben unser Erlebnis in China unglaublich bereichert, und ich bin so glücklich, dass Azza uns dieser tollen Gruppe vorgestellt hat. Wir hoffen sehr, sie eines Tages wiederzusehen! Zum Glück gibt es Instagram und WeChat, über die wir versuchen, den Kontakt aufrechtzuerhalten. 😊
Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen von Xi’an – unser Zug nach Peking stand bereit, und damit brachen unsere letzten vier Tage in China an. Im Nachhinein hätten wir uns gewünscht, noch mehr Zeit in Xi’an zu haben, um weitere unvergessliche Momente mit unseren Freunden dort zu erleben. Doch man kann nicht alles haben. Außerdem wartete bestimmt noch einiges Spannendes in Peking auf uns, oder?
Bis zum nächsten Blogpost!
Liebe Grüße aus Japan
Jessi & Sascha
















































































































































