Kanazawa – Samuraispuren im Schnee und kulturelle Herausforderungen

Konichiwa liebe Freunde und Familie,

Kanazawa ist bekannt für seine Samurai, die hier über Jahrhunderte das Land und auch das Stadtbild geprägt haben. Mein Kollege Patrick hatte mir eine wunderbare Hotelempfehlung gegeben, und so waren wir ganz in der Nähe des alten Stadtviertels.

Schon auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel liefen wir durch die Straßen und waren erleichtert, wie wenige Touristen uns dabei begegneten. 😀 Unseren ersten Tag verbrachten wir jedoch ausschließlich im Hotel. Wir brauchten Ruhe, Schlaf und Erholung. Die letzten acht Tage hatten uns psychisch und physisch ausgelaugt, und wir wollten Kanazawa einen besseren Start bieten, als komplett übermüdet und demotiviert durch die Stadt zu laufen. Außerdem begann es am späten Nachmittag zu regnen – das kam uns ganz gelegen. Im Hotel funktionierte der Fernseher, und wir konnten YouTube und Netflix schauen. So verbrachten wir den restlichen Tag damit, eine Serie zu schauen.

Am nächsten Morgen weckte uns die Sonne. Wir beschlossen, den letzten schönen Tag zu nutzen und die Altstadt, das Schloss sowie einen der schönsten Gärten Japans zu besuchen.

Das Samurai-Viertel hatte es uns schnell angetan. Wir besichtigten eines der alten Samurai-Häuser, das wunderschön hergerichtet ist und in dessen hinterem Bereich sich ein bezaubernder kleiner Garten befindet.
Dort konnten wir auch einige faszinierende Exponate hinter Glas bestaunen: Briefe von Oberhäuptern der Samurai-Häuser, die sich dafür bedankten, dass jemand für sie einen Gegner ermordet hatte – und das alles vor 500 Jahren verfasst und geschrieben!

Eine echte Samurai-Rüstung, das elegante Katana daneben ausgestellt … Es war wirklich beeindruckend, das alles zu sehen! Und das Beste: Es waren kaum andere Leute da. Die ganze Stadt war nicht so überlaufen wie Kyoto. Es war ruhig, und wir konnten durch die Gassen schlendern, zum Schloss laufen – selbst hier begegneten wir nur wenigen Menschen.

Das Schloss wird momentan restauriert, sodass die Vorderseite komplett von einem Baugerüst verdeckt ist. Doch die Rückseite blieb unberührt – und sie ist mindestens genauso schön. Überall um uns herum lag Schnee, der in der Sonne glitzerte. Das Schloss wirkte dadurch noch eindrucksvoller.

Von hier aus ging es weiter zu den berühmten Kenroku-en-Gärten, die als eine der schönsten Gartenanlagen Japans gelten. Für eine kleine Gebühr kann man sie besichtigen. Wenn alles blüht, ist es bestimmt noch atemberaubender, aber selbst jetzt im Winter sah es wunderschön aus.

Wir setzten uns auf eine Bank und genossen die Sonne, die uns wärmte. Unser Blick reichte bis zu den japanischen Alpen, und überall um uns herum standen Bäume mit hochgebundenen Zweigen.

Dafür ist Kanazawa besonders bekannt – es gehört fast schon zum ikonischen Stadtbild. Während des Winters werden die Äste mit Seilen an der Spitze des Baumes festgebunden, damit sie unter der Last des Schnees nicht brechen. Auf jeder Postkarte oder jedem Souvenir sind diese Bäume abgebildet. Und obwohl es Winter war, leuchtete uns in den Gärten bereits ein sattes Grün entgegen.

Wir verbrachten einige Zeit hier, bis es schließlich an der Zeit war, uns etwas zu essen zu suchen. In einem Supermarkt fanden wir abgepacktes Sushi, das wir mitnahmen. Erst nach dem Kauf bemerkten wir, dass wir uns in diesem Supermarkt nicht hinsetzen konnten, was sonst eigentlich meistens angeboten wird. In Japan gilt es nämlich als unhöflich, im Gehen zu essen, es ist geradezu verpönt und wir versuchten darauf Rücksicht zu nehmen.

Ein großes Problem in Japan ist jedoch – zumindest aus unserer Sicht –, dass es kaum öffentliche Sitzmöglichkeiten gibt. Keine kleinen Holzbänke, keine Steinbänke, keine anderen Möglichkeiten, um sich mal kurz hinzusetzen und etwas zu essen.
Ich habe gegoogelt, warum das so ist, und war ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht über die Gründe: Einer der Hauptfaktoren ist die Förderung von Mobilität und kurzen Aufenthalten. Besonders in dicht besiedelten Städten wird der öffentliche Raum so gestaltet, dass Menschen in Bewegung bleiben, anstatt sich lange niederzulassen und “herumzulungern”. Zudem spielt die Vermeidung von Obdachlosen-Problemen eine Rolle. Sitzmöglichkeiten werden bewusst reduziert, um zu verhindern, dass sie dauerhaft als Schlafplätze genutzt werden. Ein weiterer Grund liegt in kulturellen Unterschieden im Freizeitverhalten. Nicht zuletzt spielen auch kommerzielle Interessen eine Rolle. Weniger Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum bedeuten, dass Menschen eher in Cafés oder Restaurants einkehren, was dem Einzelhandel zugutekommt.

Ich fand das einfach … ich weiß nicht, eigenartig? Man soll nicht im Gehen essen, aber nirgendwo gibt es eine Möglichkeit, sich hinzusetzen. Und ganz ehrlich, auch in Japan altert die Bevölkerung rapide. Was machen ältere Menschen, wenn sie müde sind?

Schließlich setzten wir uns auf eine kleine Bordsteinkante vor einem Parkplatz und aßen unser Sushi.
Doch dann stellte sich die nächste Frage: Wohin mit dem Müll? In Japan gibt es kaum öffentliche Mülleimer. Online gibt es dazu ganze Diskussionen, in denen sich Menschen darüber lustig machen, dass man teilweise stundenlang seinen Müll mit sich herumträgt.

Wir konnten die Verpackungen schlecht in unseren Jutebeutel packen, da sie dreckig und nicht dicht waren, sobald sie einmal geöffnet wurden. Also trug ich den Müll in der Hand – ungelogen eine Stunde lang –, während wir auf der Suche nach einem Mülleimer waren. Wir fanden keinen. Irgendwann bogen wir ins Altstadtviertel ab, und es wurde mir zunehmend unangenehmer, die ganze Zeit mit dem Müll herumzulaufen. Aber was blieb mir anderes übrig? Ich wollte ihn ja nicht einfach irgendwo stehen lassen. (Auf dem Bild sieht man ihn nicht, aber ich trage den Müll in den Händen, lol).

Google erklärt das Phänomen folgendermaßen:
Nicht vorhandene Mülleimer hat mehrere Gründe, die sowohl historische als auch kulturelle Hintergründe haben. Ein wesentlicher Faktor ist das Sicherheitsbewusstsein, das nach dem Sarin-Anschlag in der Tokioter U-Bahn 1995 stark zunahm. Damals wurden Mülleimer als potenzielle Verstecke für gefährliche Gegenstände betrachtet, weshalb viele von ihnen aus Bahnhöfen und öffentlichen Bereichen entfernt wurden. Convenience Stores bieten gelegentlich Mülleimer an, jedoch meist nur für spezifische Abfallarten wie Plastikflaschen oder Dosen. Zudem spielt auch die allgemeine Sauberkeitskultur eine Rolle. In Japan gibt es eine hohe soziale Norm, öffentliche Räume sauber zu halten. Da die meisten Menschen ihren Müll mitnehmen, bleibt der öffentliche Raum trotz fehlender Mülleimer überraschend sauber.

Irgendwann fand ich in meiner Tasche zufällig eine kleine Plastiktüte, in die ich den Müll stopfen konnte. Das machte es zumindest etwas angenehmer, und ich konnte ihn in meinem Jutebeutel verstauen. Von hier aus ging es zurück ins Hotel. Es war bereits später Nachmittag, und wir suchten nur noch ein Restaurant auf, bevor wir ins Bett fielen.

Den gesamten nächsten Tag regnete es wie aus Eimern, also verbrachten wir die meiste Zeit im Bett und schauten weiter Serien. Gegen Abend wechselte der Regen zu Schneefall. Ich hatte beschlossen, mir in der Stadt wieder ein Stück die Haare abschneiden zu lassen, und suchte mir online einen kleinen Friseurladen in der Nähe, wo ich für den nächsten Tag einen Termin ausmachen konnte.

Da es aber auch am nächsten Tag durchgehend regnete, ging ich nur schnell zum Friseur und dann wieder zurück ins Hotel. Mal chillten wir im Zimmer, mal in der Lobby. In den Supermärkten deckten wir uns mit Wasser, Toast, Erdnussbutter und Instant-Ramen ein und verbrachten die Zeit im Hotel.

Unser Abreisetag war von kühlen Temperaturen geprägt, aber immerhin blieb es trocken. Der Himmel war grau, aber mehr auch nicht. Für uns ging es weiter in die Berge. Von Kanazawa aus nahmen wir den Shinkansen nach Nagano – eine Stadt, die unter anderem für ihre heißen Quellen und Schneeaffen bekannt ist.
Wir waren gespannt und freuten uns darauf, endlich ein neues Hotelzimmer von innen zu sehen.

Damit wünschen wir euch wieder einmal einen wunderschönen Tag!

Liebe Grüße und bis zum nächsten Beitrag!
Jessi und Sascha