Liebe Freunde und Familie,
13 Stunden Zugfahrt sind eine Ansage – diese Zeit muss man erst einmal (bequem) herumkriegen. Doch das war für uns gar kein Problem. Mit einem Nachtzug verschläft man wohl mindestens 80 % der Strecke.
10 % sollte man für Gespräche mit neu kennengelernten Abteilnachbarn einplanen (wir hatten ein 4er-Abteil, das wir uns mit zwei sehr netten Neuseeländerinnen teilten) 5% für Filme schauen, und die restlichen 5 % für Frühstück, Zähneputzen und den Weckdienst des Zugpersonals.
Wir können mit Überzeugung sagen, dass dies unsere bequemste und angenehmste Nachtfahrt in ganz Vietnam war. Die Betten waren komfortabel, der Schlaf tief, das Frühstück klein, aber lecker, und die Gespräche mit unseren Abteilnachbarn sehr angenehm. 😊
Kurz nach 9 Uhr kamen wir in Ninh Bình an. Die Stadt diente uns jedoch nur als Ankunftsbahnhof, denn unser eigentliches Ziel war Tam Cốc. Tam Cốc wird oft als die „trockene Halong-Bucht“ bezeichnet – hier erheben sich hohe, grün bewachsene Karstberge, und zwischen ihnen schlängeln sich wunderschöne Flüsse.
Schon in Tam Cốc konnten wir die beeindruckende Landschaft bewundern und mieteten direkt für die nächsten drei Tage einen Roller in unserem Hotel. So konnten wir uns unabhängig und flexibel bewegen und genau dorthin fahren, worauf wir Lust hatten.
Gleich am ersten Tag düsten wir einfach drauflos, folgten keiner Beschilderung, und ich musste (zum Glück) nicht navigieren. Wir umrundeten einige der Karstberge und landeten schließlich vor den Ausläufern des „Vogeltals“ (Bird Valley).
Der Eintritt kostete knapp 150.000 Dong pro Person (ca. 5 €). Nachdem wir unseren Roller auf dem Parkplatz abgestellt hatten, erkundeten wir die weitläufige Anlage.
Im Ticketpreis inbegriffen war auch eine Bootsfahrt in die Buddha-Höhle sowie die Besichtigung der Meerjungfrauen-Höhle. Denn in dieser Gegend gibt es zahlreiche Höhlen, die besichtigt werden können.
Wir starteten mit der Bootsfahrt und waren ziemlich überrascht, als unser Ruderer hinter uns plötzlich seine Beine (im wahrsten Sinne des Wortes) in die Hand nahm und anfing, mit seinen Füßen zu rudern! Gekonnt manövrierte er uns durch die Höhle, zeigte uns einen Felsen, der mit etwas Fantasie einem Buddha ähnelte, und wir mussten uns mehr als einmal tief ducken, um nicht an den tiefhängenden Stalaktiten anzustoßen.
Anschließend ging es für uns – diesmal ebenfalls in gebückter Haltung, aber zu Fuß – durch die Meerjungfrauen-Höhle. Auch wenn ich die besagte Steinformation intensiv suchte, konnte ich sie leider nicht erkennen. ☹️
Mit der untergehenden Sonne im Rücken schlenderten Sascha und ich durch die wunderschön begrünte und bunt bepflanzte Anlage. Überall entdeckten wir neue, liebevoll in Szene gesetzte Details.
Zum Abschluss ging es dann mit einem Boot – dieses Mal wurde allerdings von Hand gerudert – in den eigentlichen Teil des Vogelreservats. Hier befinden sich die Brutstätten von über 45 verschiedenen Vogelarten, darunter Störche, Reiher und Eisvögel. Ich bin zwar keine erfahrene Vogelbeobachterin, aber ich habe zumindest Reiher, weiße Vögel und einige andere mit schwarz-weißen Federspitzen gesehen.
Trotzdem war es ziemlich beeindruckend, wie nah man an die Vögel herankam und ihre Nester bestaunen konnte. Kurz vor Sonnenuntergang kehrten wir schließlich zurück in unser Hotel.
Am nächsten Morgen ging es für uns nach einem schnellen Frühstück in die Region Tràng An. Der Landschaftskomplex (anders kann ich es irgendwie nicht in Worte fassen) ist seit 2014 ein malerisches Natur- und Kulturdenkmal. Die gesamte Gegend zeichnet sich durch hohe Karstberge, Täler mit wunderschönen Wasserlandschaften und teilweise überflutete Höhlen aus. Besonders erwähnenswert ist, dass hier nachhaltiger Ökotourismus betrieben wird, da alle Strecken ausschließlich mit Ruderbooten zurückgelegt werden.
In Tràng An kann man zwischen drei verschiedenen Bootsrouten wählen:
- Route 1, die meistbefahrene, führt durch neun Höhlen und macht an drei Tempeln Halt.
- Route 2 verläuft durch vier Höhlen und passiert drei Schreine.
- Route 3 führt durch drei Höhlen, darunter die längste mit einem Kilometer, sowie zu drei Tempeln.
Da wir keine Lust auf die vielen Touristen von Route 1 hatten und Route 2 mit nur zwei bis drei Stunden die kürzeste war, entschieden wir uns für Route 3. Nach etwa zehn Minuten fanden sich noch zwei weitere Personen, die sich ebenfalls für diese Strecke entschieden – denn die Boote müssen immer mit vier Personen besetzt sein.
In knapp 3,5 Stunden fuhren wir durch die Höhlen und Täler von Tràng An, ließen die atemberaubende Landschaft auf uns wirken, bestaunten die gigantischen Höhlen und genossen die morgendlichen Sonnenstrahlen.
Die Fahrt war wirklich beeindruckend – die Karstfelsen waren für uns bis dahin einzigartig, und wir konnten uns kaum etwas Schöneres vorstellen als diese Gegend.
Anschließend schwangen wir uns wieder auf unseren Roller und fuhren weiter entlang der Berge. Bei Google Maps hatten wir eine faszinierend aussehende Pagode entdeckt, also übernahm ich als Rücksitz-Navi die Navigation und führte Sascha mit meinen hervorragenden Fähigkeiten direkt zum Ziel. Online hieß es, die Bai-Dinh-Pagode sei einer der größten spirituellen und kulturellen Komplexe Vietnams.
Die Pagode konnten wir schon von weitem sehen. Während wir uns näherten, veränderte sich die Landschaft um uns herum: Die grünen, sanften Hügel wichen zunehmend trockenerem, braunen Terrain, bis wir schließlich auf einem riesigen, leeren Parkplatz landeten. Die schiere Größe war komisch – allein die Fahrt mit dem Roller vom Eingang des Parkplatzes bis zum vorgesehenen Stellplatz für Roller dauerte gut fünf Minuten. Vielleicht ein erstes Warnsignal?
Etwas ahnungslos, was uns hier erwartete, gingen wir zur gigantischen Eingangshalle, die teilweise noch im Bau war. Vielleicht hätten wir bereits hier zum zweiten Mal stutzig werden sollen, doch wir waren einfach zu verwirrt von diesem Ort, um genau zu begreifen, wo wir uns eigentlich befanden.
Vor der Halle unterhielten wir uns mit einem amerikanischen Pärchen in unserem Alter, Jordan und Patrice, die sich gerade Eintrittskarten für die sogenannte „Happy Tour“ gekauft hatten. Ohne lange nachzudenken, taten wir es ihnen gleich. Das Angebot versprach ein antikes vietnamesisches Dorf, dazu Tempel und eine wunderschöne Gartenanlage.
Kurz darauf saßen wir gemeinsam mit Jordan und Patrice in einem kleinen Elektrobus. Die Fahrt führte uns etwa zehn Minuten durch ein riesiges Tor, hinter dem sich der erste Tempel offenbarte. Unser Fahrer hielt abrupt an – und ließ uns wortlos aussteigen. Wir warfen uns verwirrte Blicke zu, doch da wir nun einmal hier waren, umrundeten wir einen kleinen Brunnen und betraten den Tempel. Dieser erstreckte sich nach links und rechts in lange, weitläufige Gänge.
Nach nur wenigen Metern wurden wir jedoch recht unfreundlich dazu aufgefordert, bitte wieder in unseren Bus zu steigen. Das Gelände sei nicht zu Fuß zu besichtigen, sondern nur mit dem Shuttlebus. Also stiegen wir – noch verwirrter als zuvor – wieder ein.
Nach einer kurzen Fahrt von etwa einer Minute kamen wir jedoch bereits zum nächsten Halt – oder besser gesagt, zu einem unfreiwilligen Stopp. Ein Lastwagen inklusive Bagger blockierte die Straße. Noch mehr irritierte Blicke wurden ausgetauscht. Nach weiteren fünf Minuten Wartezeit ging es dann endlich weiter, einen kleinen Hügel hinauf. Dort durften wir erneut aussteigen.
Drei kleine Souvenirläden erwarteten uns in einer großen Halle. Uns wurde gesagt, dass wir unsere Schuhe ausziehen müssten, um nach oben zu gelangen. Also ließen wir sie am Eingang zurück und stiegen eine schmale Wendeltreppe hinauf.
Was uns oben erwartete, war zugleich beeindruckend und verwirrend: Drei riesige Buddha-Statuen thronten in der Halle – eindrucksvoll, aber der gesamte Ort wirkte merkwürdig künstlich. Irgendwie sah alles alt aus, doch gleichzeitig auch neu. Der Tempelkomplex hatte insgesamt einen extrem touristischen Charakter, was uns spätestens dann auffiel, als wir überall den Schriftzug „Tourism Complex“ entdeckten.
Neugierig schauten wir auf die kleine Karte, die wir erhalten hatten, und begannen parallel dazu, Google-Rezensionen zu diesem Ort zu lesen … nun ja. Es wurde immer offensichtlicher, dass wir in eine groß angelegte Touristenattraktion geraten waren. Doch vieles schien noch unfertig zu sein – überall begegneten uns Baustellen, vielleicht hätten wir das bei begegneten Bagger von vorher schon bemerken können.
Auf unserer Karte war eine feste Shuttlebus-Route eingezeichnet, der wir folgten. Entfernungen einschätzen ist zwar nicht gerade meine Stärke, aber es wirkte so, als wäre der nächste Punkt auf unserer „Agenda“ nur wenige Minuten vom Tempel entfernt, an dem wir gerade standen.
Gemeinsam mit Jordan und Patrice machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum nächsten Halt. Mehrmals wurden wir vom Personal angesprochen, ob wir uns wirklich sicher seien, die Strecke nicht lieber mit dem Shuttle zurückzulegen. Wir waren uns sicher – und ernteten dafür jede Menge verwirrte Blicke.
Nach knapp zwei Minuten Fußweg (und noch vor dem Shuttlebus) erreichten wir den nächsten Stopp, der angeblich kulinarische Köstlichkeiten und ein entspannendes Fußbad zu bieten hatte. Die „köstlichen Spezialitäten“ entpuppten sich jedoch als Softdrinks und Eis am Stiel – alles andere war geschlossen. Aber hey, immerhin war das Fußbad inklusive.
Mittlerweile waren wir zu acht, denn zwei Niederländer, ein weiterer Amerikaner und eine Peruanerin hatten sich uns angeschlossen. Wir nahmen auf einer langen Holzbank Platz, die offenbar für 100 Menschen ausgelegt war. Vor uns standen etwa zehn Mitarbeiter – etwas verloren und sichtlich irritiert von unserer Anwesenheit. Schließlich goss uns ein Mann (und ich meine das völlig ernst) kochend heißes, aber wohlduftendes Wasser in die Holzwannen. Dazu gab es eine kleine Tasse Kräutertee.
Wir acht Touristen konnten das Ganze kaum fassen. Waren wir zur falschen Zeit hier? Kommen hier überhaupt Einheimische her? Wieso sahen wir keinen einzigen Mönch in diesem „heiligen“ Komplex? Am Ende konnten wir nur noch fassungslos lachen – und machten unser Fußbad schließlich doch noch zu unserer spirituellsten und „happiest“ Erfahrung der „Happy Route“.
Mit frisch erholten Füßen stiegen wir wieder ins Shuttle und ließen uns die sagenhaften 300 Meter zum „antiken Dorf“ fahren. Dort angekommen mussten wir jedoch feststellen, dass dieses Dorf erst nach einem 1,5 Kilometer langen Aufstieg zu erreichen war. Unsere Entspannung war damit ziemlich schnell wieder dahin.
Oben angekommen suchten wir vergeblich nach historischen Hinweisen auf ein antikes Dorf. Stattdessen fanden wir moderne Höhlen mit polierten Steinfußböden vor. Der Abstieg war zudem schlecht ausgeschildert – auf halbem Weg kamen uns bereits die Niederländer entgegen und berichteten, dass am Treffpunkt kein Shuttle wartete und es keinerlei Beschilderung gab, die den weiteren Weg wies.
Wieder zu acht liefen wir zurück zum ursprünglichen Absetzpunkt und machten uns endlich auf den Weg zur Pagode, wegen der wir eigentlich hierhergekommen waren. Majestätisch erhob sie sich vor uns, ragte über 14 Stockwerke in die Höhe und versprach einen atemberaubenden Panoramablick.
Aber keeeeeine Sorge, Leute: Natürlich gibt es in dieser „antiken“ Pagode einen Aufzug! Mit Stoffsocken über unseren Schuhen fuhren wir also nach oben – nur um einen Blick auf eine riesige Baustelle und einen gigantischen Parkplatz zu werfen. 0/10 Punkten, würden wir nicht empfehlen.
Wieder unten angekommen, hätten wir eigentlich noch drei weitere Programmpunkte auf der Liste gehabt, doch wir baten den Shuttlefahrer einfach, uns direkt zum Ausgang zu bringen. Niemand von uns hatte noch Lust.
Aber Moment – bevor wir endgültig gehen durften, mussten wir natürlich noch durch einen riesigen Souvenirshop, uns durch ein Drehkreuz „auschecken“ und wurden erst dann wieder vom Shuttle zu unseren Rollern zurückgebracht.
Fazit: Die gesamte Anlage war eine riesige Enttäuschung. Nichts wirkte authentisch, alles sah zwar alt aus, aber gleichzeitig nicht älter als fünf Jahre. Als spirituellen Ort haben wir diesen Komplex definitiv nicht wahrgenommen. Falls ihr mal in die Region von Ninh Bình reist – spart euch die 15 € Eintritt pro Person und investiert das Geld lieber in eine Bootstour oder ein gutes Essen.
Außerdem navigierte ich Sascha so doof zurück das wir zwischendurch beinahe auf die Autobahn gefahren wären und wir einen Umweg fahren musste der leider nicht ganz so schön war. Upsala. Meine Schuld, ich kann das Navi einfach nicht so gut bedienen. 😀
Am nächsten Tag besuchten wir noch einen bekannten Aussichtspunkt die Mua Caves. Dieser lag nicht weit entfernt von unserer Unterkunft und die 500 Steinstufen zum Gipfel des Ngoa Long-Bergs erklommen wir mit einer Menge sehr schweren Atmens.
Dort oben erwartete uns jedoch ein beeindruckendes Panorama auf den Ngo Dong-Fluss und die umliegenden Reisfelder (die leider aktuell nicht grün sind). Trotzdem war es den Aufstieg alle mal wert. Wir genossen die Aussicht bei lauen Temperaturen und bewölkten Himmel.
Damit waren auch unsere vier Tage in Ninh Binh zuende, wir haben die Landschaft sehr genossen, fanden es atemberaubend die vielen Karstberge zu sehen die man mit dem Roller erkunden kann und können der Region wirklich sehr viel abgewinnen (abgesehen von der Pagode). Jedem dem wir seitdem begegnet sind und der gerade durch Vietnam reiste, haben wir Ninh Binh und seinen Landschaftskomplex nahegelegt. Wir können verstehen, wieso die Region ein UNESCO Weltkulturerbe geworden ist, und würden zu einem weiteren Besuch nicht nein sagen.
In unserem nächsten Blogbeitrag berichten wir wie wir unsere restliche Reiseroute durch Vietnam geplant haben – dieser hier ist schon lang genug geworden. 😉
Bis zum nächsten Mal und ganz liebe Grüße!
Jessi & Sascha


























