Hà Giang – Der schönste Roadtrip Vietnams

Liebe Freunde und Familie,

In Ninh Bình hatten Sascha und ich noch lange darüber gesprochen, wohin wir als Nächstes reisen wollten.
In die Halong-Bucht? Oder lieber auf die Nebeninsel Cát Bà? Direkt nach Hanoi? Oder sollten wir zuerst noch weiter in den Norden nach Hà Giang?
Wir waren etwas überfordert. Hanoi wäre ein idealer Ausgangspunkt, um von dort alle anderen Orte in Tagesausflügen zu erkunden, da die Stadt zentral liegt. Doch schließlich überzeugte uns der Wetterbericht, zuerst nach Hà Giang zu fahren.

Seit Beginn unserer Reise freuten wir uns auf diesen Abschnitt von Vietnam. Mitten in der bergigen Region Nordvietnams gibt es nämlich einen sehr bekannten Motorrad-Loop. Viele Blogger beschrieben ihn als das Highlight ihrer Vietnamreise und empfahlen, unbedingt drei bis vier Tage in dieser Region zu verbringen.

Nach ein wenig Recherche fanden wir einen Anbieter, der Touren anbietet, bei denen man als Beifahrer auf Motorrädern drei Tage lang über den Hà Giang Loop gefahren wird. Täglich verbringt man etwa 5–7 Stunden auf dem Motorrad, hält alle 45–60 Minuten an, genießt die Aussicht und bekommt zusätzlich Verpflegung sowie organisierte Unterkünfte.

Wir buchten das Ganze ziemlich spontan – die Wettervorhersage versprach täglich etwa 21 °C, zwei sonnige Tage und einen bewölkten. Als ich jedoch die morgendlichen und abendlichen Temperaturen von ca. 8 °C sah, entschied ich mich kurzerhand, mir eine Winterjacke zuzulegen. Zum Glück gibt es in Vietnam überall kleine Shops und Märkte, die diese Jacken preisgünstig anbieten. Außerdem konnte ich mir zugutehalten, dass auch unser künftiges Reiseziel Japan kälter sein würde – die Jacke war also keine reine Fehlinvestition.

Und was war ich froh über diese Jacke! In meinem Fleece und meiner Regenjacke darüber wäre ich auf dem Motorrad mit Sicherheit halb erfroren!

Doch zuerst ging es mit dem Nachtbus von Ninh Bình nach Hà Giang. Um 19 Uhr wurden wir abgeholt und fuhren bis 4 Uhr morgens hoch in die Berge. Dort kamen wir zunächst im 10er-Schlafsaal des Backpacker-Hostels unseres Touranbieters unter und schliefen noch bis ca. 8 Uhr.

Ich hatte das letzte Mal in meiner Realschulzeit in einem Schlafsaal mit mehreren Personen übernachtet – und kann nach dieser neuen Erfahrung sagen, dass das absolut nicht mein Ding ist. Die verbrauchte, stickige Luft im Raum verursachte mir Kopfschmerzen, und das Schnarchen der Person unter mir ließ mich knapp zwei Stunden nicht einschlafen. (Im übrigen nicht Sascha, der schnarcht nur manchmal und dann ganz leise, hihi)

8 Uhr kam schneller als gewollt, aber immerhin brachte mich der Kaffee wieder auf Touren. Insgesamt waren wir in dem Hostel ca. 25 Personen, die auf drei kleinere Gruppen verteilt wurden. Gemeinsam mit dem englischen Pärchen Bernice und Nathan sowie dem amerikanischen Pärchen Taran und Andy wurden wir in die kleinste Gruppe eingeteilt.

Andy hatte beschlossen, dass er und Taran nicht mit einem „Easy Rider“ fahren würden, sondern dass er selbst fahren wollte. Wir vier anderen bekamen jeweils einen eigenen Motorradfahrer (Easy Rider), die wir am Morgen nach dem Frühstück kennenlernten.

Insgesamt zu zehnt (wir sechs Touris + vier Easy Rider) ging es dann kurz vor 10 Uhr los. Unsere erste Etappe war 150 km lang. Sascha, als ungeübter Beifahrer auf dem Motorrad, beschwerte sich bereits nach knapp zwei Stunden darüber, wie unbequem sein Sitz und dass sein Po eingeschlafen sei. Bei mir waren es am Ende des Tages die Oberschenkel, die weh taten, da man sich oft gemeinsam mit dem Fahrer in die Kurven hineinlegt und bergab die Beine gut anspannen muss, um dem Fahrer nicht bei jedem Bremsen in den Rücken zu krachen.

Aber Leute, was für eine Fahrt – es war epischen Ausmaßes! Die Landschaft flog an uns vorbei, die Berge waren gigantisch und atemberaubend schön. Am ersten Tag ging es für uns auf 1.700 m Höhe, wo unser erster nächtlicher Stopp lag. Doch unterwegs hielten wir immer wieder an atemberaubenden Aussichtspunkten an und waren jedes Mal aufs Neue begeistert. Natürlich entstanden hier auch einige der coolsten Bilder des gesamten Loops.

Unsere Gruppe war einfach mega! Es war unglaublich lustig zusammen, wir konnten viele Reiseberichte austauschen und erfuhren viel voneinander. Schon am ersten Tag erstellten wir unsere eigene WhatsApp-Gruppe, in der wir regelmäßig Bilder und Videos teilten, die wir gegenseitig von uns gemacht hatten.

Noch am ersten Tag ging es für uns so weit in den Norden, dass wir von einem Aussichtspunkt aus die chinesische Grenze sehen konnten. Außerdem besichtigten wir ein kleines Dorf, das unter anderem für seine Silberschmiede bekannt ist. Dort machten wir Halt und besichtigten eine kleine Hütte, in der Armreifen von Hand geschmiedet und verziert wurden. Laut unserem Tourführer Lanh werden diese oft zur Geburt eines Kindes gekauft, da sie Glück bringen sollen. Zudem zeigte er uns die Räucherküche für Fleisch, die gleichzeitig als Schlafzimmer dient.

Man muss dazu erwähnen, dass Hà Giang die wohl ärmste Region Vietnams ist. Das Leben in den Bergen ist schlicht und einfach – die Menschen leben vom eigenen Anbau und der Viehzucht. Viele Kinder winkten uns mit Begeisterung zu, und nicht selten begegneten uns Kleinkinder mit sehr wenig Kleidung am Körper (und ich fror ja teilweise schon erbärmlich bei den morgendlichen Temperaturen). Der Kontrast zu den Orten, die wir zuvor besichtigt hatten, war enorm.

Am Abend erreichten wir die Stadt Đồng Văn. Da wir sechs alle die „Premium Tour“ gebucht hatten, bekam jeder von uns ein eigenes Zimmer mit Dusche. Außerdem gab es dort Heizungen, was laut unserem Tourführer in dieser Gegend eher unüblich ist. Einheimische ziehen sich stattdessen einfach eine Schicht mehr an oder schlafen mit einer zusätzlichen Decke. Heizungen sind hier purer Luxus – und genau diesen wussten wir wirklich zu schätzen. Allein das heiße Wasser aus dem Boiler war eine Wohltat für unsere kalten Hände und Füße nach der langen Fahrt.

Zum Abendessen gingen wir gemeinsam Hot Pot essen, und unsere Fahrer packten das berüchtigte „Happy Water“ (Reiswein) aus, um mit uns anzustoßen. Danach ging es in eine Karaoke-Bar, wo wir uns allerdings erst einmal mit dem Billardtisch beschäftigten. Bernice und Nathan zeigten dabei beeindruckende Billardkünste und spielten zuerst gegen unsere Fahrer, die wirklich hervorragend spielten. Anschließend traten Taran, Andy, Sascha und ich gegeneinander an – was eher ein Desaster war. Sascha und ich haben nicht gerade viel Übung im Billardspielen, weshalb es wahrscheinlich ein echtes Trauerspiel war, uns dabei zuzusehen. 😄

Früh am nächsten Morgen, um 8 Uhr, gingen wir frühstücken, um uns anschließend wieder auf die Motorräder zu schwingen. Unser erster Stopp führte uns auf eine einstündige Wanderung zu einem sehr, sehr hoch gelegenen Berg, von dem aus man einen atemberaubenden Blick auf die umliegenden Berge und die Landschaft hatte. Auf einer flachen Steinzunge konnte man mit etwas Geschick hochklettern und großartige Fotos machen. Saschas Höhenangst hielt ihn zwar davon ab – mich aber nicht.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch kletterte ich erfolgreich hoch und wieder herunter. Aber die Kletterei hatte es echt in sich – nichts für schwache Nerven!

Zurück am Motorrad ging es weiter durch die Bergregion bis hinunter in ein kleines Tal, wo bereits ein Bambusboot auf uns wartete. Damit erkundeten wir eine Höhle. Dort kletterten wir vom Boot auf einen glitschigen Felsen und begutachteten das eiskalte Wasser. Nathan und Taran sprangen mutig hinein – wir anderen hielten uns lieber zurück. Die Fahrt mit dem Motorrad bis zum Hotel würde noch etwa 1–2 Stunden dauern, und ich hätte mich definitiv erkältet (und ja, ich war auch einfach ein Angsthase, lol).

Und schon ging es weiter. Lanh führte uns mit den Motorrädern über holprige Schotterpisten mitten durch kleine Dörfer. Überall winkten uns Kinder zu, hoben die Hände zum High Five, klatschten uns im Vorbeifahren ab, rannten neben den Motorrädern her und strahlten uns an.

Als wir dann eine schmale Piste entlangfuhren, direkt am Abgrund, war ich mehr als froh, einen erfahrenen Fahrer zu haben. Sascha ging es genauso – ich glaube, wir beide hätten uns freiwillig nicht getraut, diese Strecke allein zu fahren. Die Angst, abzurutschen, war zwar nicht riesig, aber definitiv da. Besonders, als uns auch noch Gegenverkehr entgegenkam.

Und dann machten wir Halt – an wohl einem der schönsten Aussichtspunkte für uns überhaupt! Die tief stehende Sonne tauchte die neblige Berglandschaft in ein atemberaubendes Licht, ließ uns endlos weit bis zum Horizont blicken und sorgte für eine Kulisse, die einfach nur magisch war. Wir konnten gar nicht genug Fotos machen. Lanh musste uns schließlich mehrfach rufen, damit wir endlich weiterfuhren. 😄

Im Hotel angekommen, erfuhren wir, dass es am nächsten Morgen früh zu einem nahegelegenen Wasserfall gehen würde, in den wir springen konnten. Danach würden wir noch einmal ins Hotel zurückkehren, um zu duschen und zu frühstücken.

Den Abend verbrachten wir mit superleckerem, lokalem Essen. Natürlich wurde uns wieder „Happy Water“ gereicht. Anschließend weihten Bernice und ich den Billardtisch ein (ich verlor übrigens nur, weil ich die schwarze Kugel samt weißer Kugel am Ende erfolgreich versenkte – naja, passiert 😅).

Danach wurde die Karaokemaschine aufgebaut, und die ersten Gäste trauten sich ans Mikro. Taran und ich performten als Erste ein Lied, und langsam brach das Eis. Mit ein wenig Mut sangen nach und nach auch andere. Selbst Sascha wagte sich kurz vor Schluss mit Bernice an das hochkomplexe Lied „Tequila“ (ihr wisst schon – der Song mit genau einem Wort 😆).

Den Abend beendeten Nathan und ich mit einer epischen Performance von „Don’t Stop Me Now“ von Queen – und es war einfach nur zu lustig, Sascha und Bernice tanzten dabei mit Handys in den Händen um uns herum.

Der Morgen kam früh, und unser Weg zum Wasserfall führte uns über den lokalen Markt des Dorfes, in dem wir übernachtet hatten. Überall quiekten Schweine, Kühe muhten, Hunde bellten – alle wurden zum Verkauf angeboten. Wir drängten uns gute 15 Minuten durch die Menschenmenge, bis wir endlich auf den Schotterweg zum Wasserfall abbogen.

Der Wasserfall entspringt weiter oben in den Bergen und führt eiskaltes, glasklares Wasser. Und heute waren wir keine Angsthasen! Jeder aus unserer Gruppe hatte sich vorher seine Badesachen angezogen, und wir sprangen nacheinander in die eiskalte Fluten. Japsend tauchten Sascha und ich wieder auf – meine Güte, die Kälte presste uns die Luft aus der Lunge! Der Schock, als das Wasser auf die Haut traf, war brutal. Aber Lanh hatte uns versprochen: Wer einmal hineinspringt, dem wird an diesem Tag garantiert nicht mehr kalt. Und er hatte recht! Trotz der Außentemperatur von gerade mal 8 °C wärmte sich der Körper schnell von selbst wieder auf.

Screenshot

Nach dem Baden zogen wir uns um und fuhren zurück über den Markt zum Hostel. Dort gab es allerdings ein Problem: Zwei Autos hatten sich durch die Menschenmenge gestaut, und für unsere Motorräder gab es kein Durchkommen. Schließlich beschlossen wir fünf Beifahrer (Andy blieb beim Motorrad), abzusteigen und uns durch die Menge zu quetschen, damit wir uns schon mal duschen konnten – so verzögerte sich unsere Abfahrt nach Hà Giang nicht zu sehr.

Unsere Fahrer brauchten am Ende knapp 30–40 Minuten, in denen wir die Gelegenheit nutzten, uns warm abzuduschen, die Haare zu föhnen und ein kleines Frühstück zu genießen.

Gegen 11 Uhr ging es dann los zur letzten Etappe. Die Zeit war wie im Flug vergangen. An diesem Tag war es bewölkt, kein Sonnenstrahl schaffte es durch die Wolkendecke – trotzdem hielten wir noch an einigen tollen Aussichtspunkten.

Außerdem lernten wir an diesem Tag, wie man Benzin aus Motorrädern zapft. Andy hatte plötzlich keinen Tropfen mehr im Tank, doch Saschas Fahrer Chin organisierte kurzerhand eine leere Plastikflasche und einen Schlauch. Damit zapfte er etwas Benzin aus seinem eigenen Motorrad ab und füllte es in Andys Tank.

Allzu weit kamen wir damit allerdings nicht – immer wieder musste Andy den Motor neu starten, doch wir schafften es bis zu einem kleinen Shop, in dem Benzin in Plastikflaschen verkauft wurde. Dort konnten wir den Tank endlich richtig auffüllen. Ein Erlebnis, das wir so schnell nicht vergessen werden!

Bei unserem vorletzten Stopp zeigten uns unsere Fahrer ein wohl traditionelles vietnamesisches Spiel. Dabei wird ein kleiner Federball benutzt, der am unteren Ende aus Metall besteht und oben mit Federn bestückt ist. Man bildet einen Kreis und versucht, den Ball so lange wie möglich mit den Füßen in der Luft zu halten.

Unsere Fahrer waren darin absolute Profis – sie jonglierten den Ball mit beeindruckender Präzision und vollführten sogar kleine Kunststücke. Wir hingegen hatten eher damit zu kämpfen, unseren Fuß überhaupt in die richtige Position zu bekommen. Ich schaffte es mehrmals nicht einmal, den Ball zu treffen – ein echtes Talent, ich sag’s euch! 😆

Zum Abschluss kauften Andy und Taran für jeden von uns einen dieser Federbälle und überreichten sie uns mit den Worten: „Damit ihr immer an unseren gemeinsamen Trip denkt.“ Das zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht.

Gegen 17 Uhr erreichten wir schließlich unseren Ausgangspunkt in Hà Giang.

In drei Tagen hatten wir knapp 300 Kilometer zurückgelegt, atemberaubende Landschaften gesehen, wunderbare Menschen kennengelernt und eine Erfahrung gemacht, die wir nie wieder vergessen werden.

Wir verabschiedeten uns von unseren Fahrern, gaben ihnen ein großzügiges Trinkgeld und genossen noch ein letztes gemeinsames Abendessen in unserer Sechsergruppe. Danach trennten sich unsere Wege: Für Nathan, Bernice, Andy und Taran ging es zurück nach Hanoi.

Für Sascha und mich führte die Reise weiter nach Cát Bà. In Ninh Bình hatten wir eine Übernachtung auf einem Boot gebucht – inklusive Programm. Doch wie es dazu kam, warum Sascha sich ordentlich darüber aufregte, wie das Ganze ablief und ob es sich wirklich gelohnt hat…

Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Ganz liebe Grüße
Jessi & Sascha