Beijing – Ein bittersüßer Abschied von China

Ni Hao, liebe Freunde und Familie,

während ich das tippe, befinden wir uns gerade im Shinkansen von Nagano nach Tokyo, wo uns hoffentlich wärmere Temperaturen erwarten als bisher.

China war in den letzten Tagen auch nicht mehr so warm wie zuvor. Beijing (Peking) liegt natürlich weitaus nördlicher als die anderen Städte, die wir besucht haben. Xi’an und Beijing sind über 1.200 km voneinander entfernt, und wir legten die Strecke wieder mit dem Zug zurück. Diese Strecke wird mit einem Schnellzug überbrückt, und wir verbrachten 4 Stunden und 20 Minuten im Zug. Wir freuten uns schon sehr auf unseren Aufenthalt hier und konnten es kaum abwarten! Alle anderen Städte waren bisher so toll gewesen, und Beijing hat ja auch so viele Highlights zu bieten – was sollte also schon großartig schiefgehen?

Unser erster Eindruck war… überwältigend. Aber nicht im positiven Sinne. Beijing fühlte sich anders an als Chengdu, als Xi’an. Es war grau, monoton, kalt – nicht nur von den Temperaturen her, sondern auch atmosphärisch. Der Himmel war verhangen, die Gebäude schienen alle gleich, und das geschäftige, chaotische, aber dennoch charmante Leben, das uns in anderen Städten so fasziniert hatte, fehlte hier.

Was uns hier jedoch zum ersten Mal negativ auffiel, waren die polizeilichen Kontrollen und die Kameras. Natürlich gab es bisher in jeder Stadt Kameras, aber hier war es ein ganz anderes Level – sowohl in Menge als auch Präsenz. Bei der Einreise am Bahnhof waren wir es gewohnt, unsere Pässe einmal vorzulegen. Doch nur wenig später, in einem Tunnel, wurden wir erneut gebeten, unsere Pässe vorzuzeigen – zusammen mit allen anderen um uns herum. Das betraf also nicht nur uns speziell. Als man Saschas Pass kontrollierte, wurden wir jedoch ziemlich schnell hindurchgewunken. Meinen Pass musste ich hier gar nicht erst vorzeigen.

Beijing war in Bezug auf Hotelpreise teurer als die bisherigen Städte, und so entschieden wir uns für ein kleines, aber süßes Hostel. Allerdings war das Internet dort wirklich schlecht, sodass wir nicht richtig am Upload der Blogbeiträge arbeiten konnten. Das Hostel lag zudem etwas abseits der Innenstadt, und wir fuhren immer mit der Stadtbahn etwa 25 Minuten zu den Spots, die wir besuchen wollten.

Unser erster Stopp war eigentlich die Suche nach einer coolen Straße, in der wir etwas zu essen finden wollten. Dafür stiegen wir am Tiananmen Square aus. Für die Älteren unter euch dürfte das vielleicht noch ein Begriff sein – besonders im Hinblick auf das, was hier Ende der 80er-Jahre passiert ist. Ich wusste jedoch nichts davon und war schockiert über das massive Polizeiaufgebot. Schon beim Ausgang aus der U-Bahn wurde man kontrolliert. In einem kleinen Tunnel zählten wir rund 30 Kameras, die alles im Blick behielten, und sobald man die Bahn verließ, fand man sich in einem abgesperrten Bereich wieder.

Überall waren Zäune und Absperrungen, die die Menschenmassen in geordnete Reihen hielten. Am Eingang zum Platz wurde man streng kontrolliert – inklusive Abtasten, Scanner für alle Taschen, und mehr als einmal beobachtete ich, wie die Polizei willkürlich Leute anhielt, um in deren Taschen zu schauen. Ich fühlte mich richtig unwohl und wusste nicht so recht, wohin wir überhaupt gehen sollten. Sascha führte uns schließlich durch das Gewirr von Absperrungen und am Rand der Verbotenen Stadt entlang, bevor er mir erklärte, worum es sich beim Tiananmen Square eigentlich handelt.

Kurzer Geschichtsexkurs:

Der Platz ist etwa 40 Hektar groß und gilt als größter befestigter Platz der Welt. Im Norden befindet sich das Tor des Himmlischen Friedens, hinter dem sich die Verbotene Stadt erhebt. Im Westen wird der Platz von der Großen Halle des Volkes und im Osten vom Chinesischen Nationalmuseum begrenzt. Auf dem Platz können sich bis zu einer Million Menschen versammeln, und ab 1911 wurde er zu einer wichtigen Demonstrationsstätte.

Die Proteste auf dem Tiananmen-Platz im Jahr 1989 waren eine massive pro-demokratische Bewegung in China. Sie wurden hauptsächlich von Studenten und Intellektuellen angeführt, die politische Reformen, Meinungsfreiheit und ein Ende der Korruption innerhalb der Kommunistischen Partei forderten.

Von April bis Mai 1989 gab es auf dem Platz groß angelegte Proteste. Hunderttausende Menschen versammelten sich dort. Es wurden Hungerstreiks abgehalten, Reden gehalten und Forderungen nach Demokratie gestellt. Die Regierung reagierte mit Härte: Die Kommunistische Partei sah die Demonstrationen als Bedrohung und verhängte kurzerhand das Kriegsrecht. Am 3. und 4. Juni 1989 kam es schließlich zu einem Massaker in der Stadt. Die chinesische Regierung entsandte das Militär, um die Proteste gewaltsam zu beenden. Soldaten und Panzer eröffneten das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten. Die genaue Zahl der Todesopfer ist bis heute unklar – Schätzungen reichen von mehreren Hundert bis zu mehreren Tausend.

Die chinesische Regierung rechtfertigte das Vorgehen als notwendig für die Stabilität des Landes. Innerhalb Chinas ist das Ereignis bis heute streng zensiert und darf nicht öffentlich diskutiert werden.

Ich war schockiert über das, was Sascha mir da erzählte, und finde es erschreckend, wie sehr die Regierung hier in das Leben der Menschen eingreift – und dass man über diese Taten nichts lernen darf.

Ein Bloggerpärchen, dem wir folgen und das den Tiananmen Square vor einiger Zeit besucht hatte, erzählte online, dass sie alle ihre dort gedrehten Videos wieder löschen mussten – selbst mit der Versicherung, dass sie nichts Negatives über den Platz zu berichten hatten. Trotzdem erlaubte man ihnen nicht, die Aufnahmen auf der Kamera zu behalten.

Immerhin fanden wir zwischendurch mal ein Luxusviertel, wo man sich allerdings als normalsterblicher nichts leisten kann (oder will?). Aber hey, immerhin mal ein bisschen Leben in dieser Stadt.

Vielleicht gefiel mir die Stadt deshalb noch weniger als zuvor. Doch auch abseits davon konnte Beijing für uns nicht mit Chengdu oder Xi’an mithalten. Uns fehlte das Streetfood – wir fanden keine kleinen Stände, sondern nur teure Restaurants, auf die wir keine Lust hatten. Am Ende saßen wir im McDonalds, bestellten uns irgendetwas und schrieben mit Azza und Wang, um die beiden nach Tipps für die Stadt zu fragen.

Am nächsten Morgen schliefen wir so lange wie schon lange nicht mehr – bis uns der Zimmerservice um 11 Uhr wachklopfte und ich ihn verschlafen wieder wegschickte. Wir hatten die Nächte in Xi’an ja sehr genossen, aber eben auch mit viel zu wenig Schlaf. 😄

Unsere Idee, an diesem Tag zur Großen Mauer zu fahren, war damit auch irgendwie im Eimer. Man braucht knapp zwei bis drei Stunden dorthin, je nachdem, welchen Abschnitt man besuchen möchte. Also machten wir uns erstmal auf den Weg durch die Stadt, suchten verzweifelt nach einem Frühstück und fanden schließlich eine ganz okay schmeckende Rinderbrühe mit Nudeln.

Von dort aus wollten wir es doch noch mit der Großen Mauer versuchen und stiegen in die Bahn. Das Problem: Wir kamen gegen 15 Uhr an der Endhaltestelle an und hätten von dort aus noch einmal 40 Minuten mit dem Taxi fahren müssen. Ich war bereits völlig erschöpft und hatte während der 1,5-stündigen Bahnfahrt auf Sascha ein Nickerchen gemacht.

Die Seilbahn zur Mauer schließt um 16:30 Uhr… Man kann sich denken, dass sich das nicht wirklich gelohnt hätte. Wir hätten nicht genug Zeit gehabt, die Mauer zu erkunden und rechtzeitig wieder hinunterzukommen. Also drehten wir einfach um und fuhren zurück in Richtung Stadt.

Zwischendurch stiegen wir dann doch noch aus und besuchten das Olympiadorf, das 2022 für die Winterspiele erbaut wurde. Es war schon beeindruckend – das Stadion sah toll aus, genauso wie das Schwimmbad.

Von hier aus ging es weiter mit dem Taxi. Die Stadt ist einfach riesig, und alles liegt so weit auseinander… Außerdem war ich maßlos übermüdet und fertig, obwohl wir bis 11 Uhr geschlafen hatten.

Unser letzter Stopp für den Tag war der Sommerpalast, den man hier besichtigen kann – und der im Abendlicht wirklich wunderschön ist.

Wieder einmal ein Geschichtsexkurs:

Der Sommerpalast in Peking, auf Chinesisch Yíhéyuán („Garten der harmonischen Ruhe“), ist eine der bedeutendsten kaiserlichen Gartenanlagen Chinas und ein beeindruckendes Zeugnis chinesischer Baukunst. Seine Ursprünge reichen bis in die Jin-Dynastie (1115–1234) zurück, doch seine heutige Form erhielt er im 18. Jahrhundert unter Kaiser Qianlong (1736–1796) während der Qing-Dynastie. Er ließ die Anlage als Rückzugsort für die kaiserliche Familie erweitern, wobei der künstliche Kunming-See vergrößert und zahlreiche Pavillons, Tempel und kunstvolle Gärten errichtet wurden. Der Sommerpalast diente vor allem als Erholungsort während der heißen Sommermonate.

In seiner Geschichte wurde der Palast jedoch mehrfach zerstört. Während des Zweiten Opiumkriegs (1860) plünderten und verbrannten britische und französische Truppen große Teile der Anlage. Kaiserinwitwe Cixi ließ ihn später mit Geldern restaurieren, die ursprünglich für die Modernisierung der chinesischen Marine bestimmt waren. Doch bereits 1900, während des Boxeraufstands, erlitt der Sommerpalast erneut schwere Schäden durch die Acht-Nationen-Allianz. Nach dem Ende des Kaiserreichs 1911 wurde er schließlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und entwickelte sich zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Chinas. 1998 wurde er von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.

Und wir können es bestätigen: Der Sommerpalast hat diesen Status absolut verdient! Er ist wunderschön angelegt, und selbst jetzt, in den Wintermonaten, war er herrlich. Trotz der vielen Besucher war es angenehm ruhig. Die kunstvollen Tempel und Gärten, der Ausblick vom See auf den Hügel mit den Tempeln… Es war wirklich atemberaubend und unser absolutes Highlight an diesem Tag.

Wir genossen die Abendstunden bei schönem Wetter und fanden danach endlich eine kleine Straße mit Streetfood-Ständen, wo wir uns durch die verschiedenen Speisen probierten – und alles als sehr lecker empfanden. 😋

Am nächsten Morgen ging es dann früher raus, denn heute hatten wir die Verbotene Stadt auf dem Plan! Zwischen 10 und 11 Uhr hatten wir unseren Eintrittsslot (diesen hatten wir ja bereits zwei Wochen im voraus Online gebucht). Auch hier standen wir vielleicht fünf Minuten an, und alles lief reibungslos mit dem Hineinkommen.

Ich stand also dort, in einer der bekanntesten und wohl berühmtesten Sehenswürdigkeiten Chinas, und plötzlich übermannte mich ein schmerzhafter Moment von Heimweh. Es traf mich so stark, dass mir sogar die Tränen kamen. Man hatte es vielleicht schon an den letzten Tagen bemerkt: Ich war dauerschöpft, überreizt von all den Eindrücken, die wir bisher gesammelt hatten. Meine Füße taten weh vom vielen Laufen, weil wir jeden Tag unterwegs waren und etwas unternahmen.

Ich sehnte mich nach Ruhe, nach Erholung, nach dem einfachen Gefühl, mit gutem Gewissen auf der Couch zu liegen, die Katzen auf dem Schoß zu haben und einfach nur in völliger Stille zu entspannen. Doch die gab es hier nicht. Jeden Tag nagte der Gedanke an uns: „Du bist nur einmal hier, schau dir alles an, was es gibt. Wer weiß, ob du je wiederkommen wirst?“ – und dieser Gedanke ließ mich einfach nicht los. Es war wirklich anstrengend. Sascha ging es zum Glück nicht so wie mir, aber er verstand mich. Also suchten wir uns eine Bank in der Sonne, wo ich mich einfach auf seinem Schoß zusammenrollen konnte, um ein wenig zu dösen.

Erst danach fühlte ich mich wieder bereit, die Füße in die Hand zu nehmen und die Verbotene Stadt weiter zu erkunden.

Und wisst ihr, was jetzt kommt? Richtig – ein Geschichtsexkurs:

Die Verbotene Stadt in Peking, auf Chinesisch Zǐjìnchéng („Purpurne Verbotene Stadt“), ist ein Symbol der kaiserlichen Macht. Sie wurde zwischen 1406 und 1420 während der Herrschaft des Ming-Kaisers Yongle errichtet und diente fast 500 Jahre lang als Palast für die Kaiser der Ming-Dynastie (1368–1644) und Qing-Dynastie (1644–1911). Über 24 Kaiser regierten von hier aus das chinesische Reich.

Die Verbotene Stadt erstreckt sich über eine Fläche von rund 720.000 Quadratmetern und ist von einer zehn Meter hohen Mauer sowie einem 52 Meter breiten Wassergraben umgeben. Der Name „Verbotene Stadt“ rührt daher, dass der Zugang für gewöhnliche Bürger streng verboten war – nur der Kaiser, seine Familie, Hofbeamte und Diener durften das Areal betreten.

Nach dem Sturz des letzten Kaisers Puyi im Jahr 1911 endete die kaiserliche Ära, und die Verbotene Stadt wurde 1925 als Palastmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie vor möglichen Plünderungen geschützt, indem viele wertvolle Kunstschätze nach Südchina gebracht wurden.

Heute gehört die Verbotene Stadt zu den am besten erhaltenen kaiserlichen Palästen weltweit und wurde 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Sie beherbergt über 8.000 Räume mit kunstvollen Hallen, Pagoden und Innenhöfen.

Wir durchstreiften die Stadt für mehrere Stunden – man kann hier wirklich viel entdecken, und die Gärten sind wunderschön angelegt. Überall begegneten uns Chinesen in traditionellen Hanfus aus der Qing- und Ming-Dynastie. Diese sahen ganz anders aus als die, die ich in Xi’an gesehen hatte.

Trotz meines anfänglichen Tiefs war es insgesamt ein toller Tag für uns. Den Abschluss bildete der Chongzhen-Park, der sich hinter der Verbotenen Stadt erhebt. Dort gibt es den Jingshan-Hügel, der künstlich aufgeschüttet wurde und eine fantastische Aussicht auf die Verbotene Stadt bietet.

Was wir jedoch vorher nicht wussten, aber umso wichtiger ist: Hier spielte sich das tragische Ende von Kaiser Chongzhen ab. Der Hügel war ursprünglich Teil eines königlichen Gartens, und heute ist der Chongzhen-Park eine öffentliche Anlage, die an den letzten Kaiser der Ming-Dynastie erinnert.

Im Park gibt es Statuen und Gedenktafeln, die an den Selbstmord von Kaiser Chongzhen erinnern. Dieser Ort ist für chinesische Historiker und Touristen von besonderer Bedeutung, da er symbolisch für den Fall einer Dynastie steht, die über fast 300 Jahre lang China regiert hatte.

Vom Park aus liefen wir etwa 20 Minuten zu einem kleinen Viertel, das Azza uns empfohlen hatte. Dort fanden wir ein paar Kleinigkeiten zu essen, bevor wir uns früh zurück ins Hotel aufmachten. Dort nutzten wir die Gelegenheit, endlich unsere Wäsche zu waschen – ein großer Pluspunkt dieses Hotels, denn die Waschmaschinen konnten kostenlos genutzt werden. Zum Glück hatte ich in Deutschland noch eine kleine Flasche Waschmittel abgefüllt, sodass unsere Wäsche wieder ein bisschen nach Zuhause duftete. 😊

Bis die Wäsche schließlich im Trockner fertig war, wurde es doch recht spät – erst gegen 23:30 Uhr konnten wir ins Bett. Trotzdem ließen wir den nächsten Morgen entspannt angehen, schliefen aus und verließen das Hotel erst gegen 10 Uhr. Unser Ziel für den Tag: die Chinesische Mauer!

Sascha hatte sich im Vorfeld ausgiebig mit den verschiedenen Abschnitten der Mauer beschäftigt und sich schließlich für Mutianyu entschieden. Dies gilt als einer der am besten erhaltenen Abschnitte und liegt etwa 75 km außerhalb von Peking. Mit dem Taxi brauchten wir knapp zwei Stunden, um dorthin zu gelangen.

Am unteren Ende des Besucherbereichs angekommen, begann erst einmal die Suche nach dem richtigen Ticketschalter – gar nicht so einfach! Mutianyu ist unter anderem für seinen Alpen-Coaster bekannt, mit dem man von der Mauer wieder hinunter ins Tal fahren kann. Doch um damit zu fahren, braucht man ein separates Ticket – nur wo kauft man es?

Zunächst suchten wir uns ein Ticket für die Liftfahrt, bekamen aber stattdessen nur ein Ticket für den Shuttlebus in die Hand gedrückt. Denn, wie wir dann herausfanden, liegt der Einstieg zur Seilbahn ganz woanders als der Taxistopp. Ein bisschen verwirrt nahmen wir es einfach hin und hofften, dass wir den eigentlichen Ticketschalter später noch finden würden.

Der Shuttlebus war angenehm warm, da die Sonne mittlerweile kräftig schien, und ich genoss es richtig, die Sonne in meinem Gesicht zu spüren. Und tatsächlich – als wir aus dem Bus ausstiegen, fanden wir direkt den Ticketschalter für die Liftfahrt nach oben und die Abfahrt mit dem Alpen-Coaster nach unten.

Die Fahrt mit dem Lift war zwar ein bisschen windig, aber gut auszuhalten. Sascha hatte jedoch weniger Glück: Beim Schließen des Lifts knallte das Metall direkt auf seine Kniescheibe – und wenige Stunden später zeichnete sich bereits ein stattlicher blauer Fleck ab. Autsch! Nach etwa fünf Minuten erreichten wir die Mauer und bestaunten zum ersten Mal diesen beeindruckenden Abschnitt.

Und hier mal wieder ein Geschichtsexkurs:

Die Chinesische Mauer ist eines der beeindruckendsten Bauwerke der Welt und erstreckt sich über eine Gesamtlänge von etwa 21.196 Kilometern. Ihr Bau zog sich über viele Dynastien hinweg, wobei die ersten Abschnitte bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. entstanden. Die bekannteste Bauphase erfolgte jedoch während der Qin-Dynastie (221–206 v. Chr.) unter Kaiser Qin Shihuangdi – na, wer erinnert sich? Genau, das ist derselbe Kaiser, der auch die Terrakotta-Armee in Xi’an in Auftrag gegeben hat! Er ließ bestehende Mauerabschnitte verbinden, um das Reich besser gegen Angriffe aus dem Norden zu schützen.

Während der Ming-Dynastie (1368–1644) wurde die Mauer erheblich ausgebaut und verstärkt. Allerdings ist sie keine durchgängige Mauer, sondern besteht aus vielen einzelnen Abschnitten, die an die geografischen Gegebenheiten angepasst wurden. In manchen Regionen boten Berge oder Flüsse bereits natürlichen Schutz, weshalb dort keine Mauer nötig war. Zudem nutzten verschiedene Dynastien unterschiedliche Baumaterialien: Während die frühen Abschnitte oft aus gestampftem Lehm bestanden, wurde in der Ming-Zeit vermehrt mit Ziegeln und Granit gearbeitet.

Einer der bekanntesten und am besten erhaltenen Abschnitte ist Mutianyu. Dieser Bereich stammt aus der Ming-Dynastie und wurde auf den Fundamenten älterer Strukturen errichtet. Besonders bemerkenswert ist, dass Mutianyu über dreifache Wehranlagen verfügt – mit einer Hauptmauer und zusätzlichen Verteidigungswällen auf beiden Seiten. Die Wachtürme und Befestigungen sind hier besonders dicht gebaut, was Mutianyu zu einem der beeindruckendsten Abschnitte der gesamten Chinesischen Mauer macht.

Der Mutianyu-Abschnitt sticht aufgrund seines großen Maßstabs und der Bauqualität unter den Abschnitten der Großen Mauer hervor. Überwiegend aus Granit errichtet, ist die Mauer sieben bis acht Meter hoch und an der Mauerkrone vier bis fünf Meter breit. Ein besonderes Merkmal des 2.250 Meter langen Abschnitts sind die 22 Wachtürme. Der Abschnitt ist beidseitig mit Zinnen besetzt, sodass die Verteidiger nach beiden Seiten schießen konnten.

Es war wirklich beeindruckend, hier zu stehen – eine 10 von 10 Mauer. Mauern können sie, wie meine Cousine Maria mir das schrieb. Solide, dick und sieht aus, als würde sie einigem standhalten. Natürlich ist dieser Teil der Mauer aufwendig restauriert worden. Man kann noch Teile der alten Mauer sehen, aber nicht darauf laufen. Dort sieht man deutlich, wie überwachsen und zerstört die Mauer über die Jahrhunderte geworden ist.

Unser Sessellift hielt an Wachturm 6, und wir liefen die Strecke bis Wachturm 1. Hier ging es teilweise in extremen Steillagen nach oben und unten. Alternativ hätten wir auch von Wachturm 6 zu Wachturm 22 laufen können, aber das ist eine ordentliche Strecke – dafür fühlten wir uns nicht fit genug. Man hat während des gesamten Weges eine wirklich beeindruckende Aussicht auf die Mauer und von Wachturm 1 einen tollen Panoramablick über die umliegende Landschaft.

Und was es hier auch zuhauf gibt? Katzen. Also wirklich … in Mengen, die man sich nicht vorstellen kann. An einem Mauerabschnitt begegneten wir etwa sechs Katzen auf einmal, die die Sonne genossen oder sich von Touristen streicheln ließen. Schon an Wachturm 4 hatten wir eine süße Katze in einer Schießscharte entdeckt und uns locker zehn Minutenmit ihr beschäftigt und gestreichelt. Ach ja, wir vermissen unsere Katzen zuhause! Zum Glück versorgt uns Kathi regelmäßig mit Bildern und Videos von den beiden.

Gegen 15 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg nach unten – mit der Rodelbahn. Man muss nur darauf achten, dass man keine Angsthasen vor sich hat … Und da muss man leider sagen: Die Chinesen, die wir auf der Strecke beobachtet haben, haben einfach keinen Sinn für Spaß und Adrenalinkicks. Die sind teilweise im Schneckentemporuntergefahren.

Als Sascha und ich dran waren, hatte sich wegen einer Frau, die mit 2 km/h die Bahn hinunterfuhr, bereits eine Schlange gebildet. Einer der Rodelbahnmitarbeiter bat sie schließlich, nach nicht mal 20 Metern auszusteigen und zu laufen – so machte das Ganze ja keinen Sinn. Wir gaben den Leuten vor uns noch etwas Vorsprung, bevor wir dann in Affenzahn den Berg hinunterrodelten und die Fahrt richtig genossen.

Von der Mauer aus ging es dann mit dem Taxi etwa eine Stunde zum nächstgelegenen Bahnhof. Während der Fahrt hielt ich erstmal wieder einen Mittagsschlaf, und dann suchten wir ein Restaurant, das Pekingente anbot. Hier stießen wir allerdings mal wieder an die Grenzen der Übersetzungsmöglichkeiten.

Obwohl wir versuchten, der Bedienung zu erklären, dass wir noch nie Pekingente gegessen haben und sie uns bitte helfen soll, was wir dazu bestellen müssen, konnte sie uns nicht wirklich weiterhelfen. Außer dass sie meinte, eine halbe Ente würde uns beiden reichen. Wir vertrauten darauf und bestellten noch Reis und scharf gewürztes Hackfleisch dazu …

Tja, die halbe Ente reichte leider nicht, und das scharfe Hackfleisch war so höllisch scharf, dass wir es kaum essen konnten. Ich pickte so gut es ging um die Chilis herum, aber Sascha aß sie tapfer mit – und hatte zwischenzeitlich richtig zu kämpfen mit Hitzewallungen und Tränen in den Augen.

Auch wenn die Ente wirklich lecker war, haben wir beschlossen, sie irgendwann mal in Deutschland nochmal zu probieren. Wir brauchen eine bessere Erfahrung damit … Irgendwie hat sie uns nicht so richtig vom Hocker gehauen. Naja.

Für uns ging es dann zurück ins Hotel, und wir packten unsere Rucksäcke neu. Am nächsten Tag stand nicht mehr viel an, aber da unser Flug nach Japan erst am Abend ging, konnten wir den Tag noch nutzen, um den Himmelspalast zu besuchen – der lag nämlich direkt neben unserem Hotel. Da unser Hostel erst um 14 Uhr Check-out hatte, konnten wir unsere Rucksäcke bequem im Hotel lassen und einfach zum Eingang des Himmelspalasts rüberstiefeln.

Wir genossen auch hier die schöne Anlage, die sich um den Tempel erhebt – viel Grün, viele Chinesen, die hier unterwegs waren, ein wunderschön erhaltener Tempel … Was will man mehr für einen würdigen Abschluss?

Hallooo Geschichtsexkurs:

Der Himmelspalast wurde im Jahr 1420 während der Ming-Dynastie unter Kaiser Yongle erbaut – demselben Herrscher, der auch die Verbotene Stadt errichten ließ. Der Tempel diente den chinesischen Kaisern als Ort für Gebete und Zeremonien, um den Himmel um eine gute Ernte zu bitten.

Das gesamte Tempelareal erstreckt sich über etwa 273 Hektar und ist damit sogar größer als die Verbotene Stadt. Die Architektur steckt voller symbolischer Bedeutungen: Der Himmel wurde in der chinesischen Kosmologie als rundangesehen, die Erde als eckig – entsprechend sind die wichtigsten Gebäude rund und stehen auf quadratischen Fundamenten.

Das bekannteste Bauwerk ist die Halle der Ernteopfer – eine imposante, dreistöckige, kreisförmige Halle mit einem blauen Dach, das den Himmel symbolisiert. Sie wurde ohne einen einzigen Nagel gebaut und steht auf einer dreistufigen Marmorterrasse.

Ein weiteres bedeutendes Bauwerk ist der Himmlische Altar – eine große, runde Plattform aus weißem Marmor. Er wurde speziell für die Wintersonnenwende-Zeremonie genutzt, bei der der Kaiser als „Sohn des Himmels“ Opfer darbrachte, um das Wohlwollen der Götter zu sichern.

Ein besonderes Highlight ist die Echomauer – eine perfekt runde Mauer, die Schallwellen so überträgt, dass man von einer Seite zur anderen flüstern kann.

Als wir den Tempel wieder verließen, hatten wir noch circa eine Stunde, bis wir zum Flughafen mussten, und suchten uns kurzerhand noch eine Pizza bei Domino’s. War echt extrem überteuert, aber das Einzige, was wir direkt neben unserem Hostel finden konnten. Dafür sättigte sie uns richtig gut, und einen Teil davon nahmen wir sogar noch mit zum Flughafen, wo Sascha die letzten Stücke aß, bevor wir eincheckten.

Gegen 19:30 Uhr ging dann unser Flieger von Beijing nach Osaka.

Am Ende war Beijing leider kein wirklich toller Abschluss für uns. Auch wenn wir hier spektakuläre touristische Highlights gesehen haben, war die Stadt eher bedrückend für uns und bei weitem nicht so toll wie die anderen Städte, die wir in China besucht haben. Aber eigentlich muss jeder, der eine Chinareise macht, ein paar Tage in der Hauptstadt einplanen – einfach weil es hier so unglaublich wichtige historische Highlights gibt.

Trotzdem waren wir froh, Beijing damit abgeschlossen zu haben, und freuten uns jetzt riesig auf Japan. Das Land hatte von Anfang an zu unseren favorisierten Reiseländern gehört. Wir hatten schon so viele tolle Dinge darüber gehört und bei unseren Recherchen online gesehen, dass wir es kaum noch abwarten konnten.

Und auch die Vorstellung, wie anders es nun werden würde im Vergleich zu China … Wir waren richtig gespannt!

Aber dazu mehr in unserem Blogbeitrag zu Osaka!

Liebe Grüße nach Deutschland!
Jessi & Sascha