Sài Gòn – Vietnams moderne Metropole

Liebe Freunde und Familie,

als wir am Abend des 5. Januars in Ho-Chi-Minh-City landeten, waren wir überrascht, an jeder Ecke Flaggen und kleine Tröten kaufen zu können. Ich war zunächst verwirrt und überlegte, ob sich die Vietnamesen vielleicht einfach anders auf das neue Jahr einstimmen als wir Europäer.

Doch als wir in unserem Homestay ankamen, klärte sich alles ziemlich schnell auf: Unsere Gastgeber saßen alle vor der Rezeption auf der Couch, gebannt vor dem Fernseher. Es lief Fußball – und nicht irgendein Spiel! Es war das Finale des ASEAN Cups: Vietnam gegen Thailand. Wir vermuteten, dass dieses Turnier in etwa mit unserer Europameisterschaft vergleichbar ist.

Die Familie nahm kaum wahr, dass wir eingetroffen waren. Erst als in der 80. Minute (kurz nachdem wir eintrafen) das Ausgleichstor zum 2:2 fiel und Sascha spontan mitjubelte, schenkten sie uns erstaunte Blicke – und erledigten schließlich unseren Check-in.

Nachdem wir unser kleines, aber gemütliches Zimmer bezogen hatten, machten wir uns auf ins Nachtleben der Stadt, um schnell Wasser zu holen und Geld abzuheben. Doch plötzlich brach um uns herum die Hölle los! Mit einem Mal waren Millionen von Rollern auf den Straßen, alle hupten, schwenkten Fahnen und tröteten laut. Vietnam hatte in der Nachspielzeit, genauer gesagt in der 90.+20. Minute, das entscheidende 3:2 geschossen und damit den ASEAN Cup gewonnen!

Sascha und ich standen am Straßenrand, genau wie hunderte andere Touristen. Wir wurden von den vorbeifahrenden Vietnamesen angejubelt und jubelten einfach mit. Es war allerdings eine kleine Herausforderung, die Straße zu überqueren – die schier endlose Flut an Rollern schien uns ständig zu überrollen! Schlussendlich gelang es uns aber doch.

Danach zog es uns über die berühmte Partymeile von Ho-Chi-Minh-City, wo die Bars den Umsatz ihres Lebens machten. Überall waren lauter jubelnde, feiernde Menschen – die Energie und Freude waren einfach ansteckend. Wir waren begeistert von dieser lebendigen, lachenden und ausgelassenen Menge.

Die Party dauerte bis weit in die Nacht hinein. Erst gegen 2 Uhr morgens verstummten die hupenden Roller. An Schlaf war bis dahin allerdings nicht zu denken, da unser Hotelzimmer leider nur schlecht schallisoliert war. Ich verbrachte die Zeit lesend im Bett, während Sascha für den nächsten Tag recherchierte – schließlich hatten wir für den Morgen bereits eine Tour zu den Củ-Chi-Tunneln um 7:30 Uhr gebucht.

Der Morgen kam schneller als erwartet. Müde und erschöpft schleppten wir uns zum Frühstück, das unsere Gastgeberin jeden Tag frisch für ihre Gäste zubereitete. Der dazu servierte vietnamesische Kaffee rettete mich jedoch – gefühlsmäßig war er so stark, dass ich mich mit vier Stunden Schlaf plötzlich wie nach acht Stunden fühlte.

Kurz darauf wurden wir abgeholt und fuhren mit einem Bus, in dem sich noch acht weitere Touristen befanden, aus der Stadt hinaus Richtung Norden. Wir unterhielten uns mit dem deutschen Pärchen Moritz und Jessica, die sich ebenfalls erst seit wenigen Tagen in Ho-Chi-Minh-City aufhielten, und tauschten unsere bisherigen Erfahrungen aus. Auch die beiden Schweizerinnen vor uns erzählten uns von ihrer Reiseroute durch Vietnam und gaben uns wertvolle Tipps für den Norden des Landes.

Unser erster Stopp mit der kleinen Reisegruppe war in einem Dorf, in dem Überlebende und Menschen, die noch immer an den Folgen des Nervengiftes „Agent Orange“ leiden, leben und arbeiten. In einer großen Werkstatt stellen sie Kunstwerke her, die an die vorbeikommenden Touristen verkauft werden (leider nicht gerade preisgünstig). Es ist erschreckend, wie weitreichend die Auswirkungen dieses Nervengiftes noch immer sind – selbst die nachfolgenden Generationen sind zum Teil davon betroffen.

Unser Tourguide erzählte uns viel über den hier als „amerikanischer Krieg“ bezeichneten Konflikt, den wir als „Vietnamkrieg“ kennen. Er betonte auch mehrfach, dass der Süden Vietnams den alten Namen „Sài Gòn“ für Ho-Chi-Minh-City noch immer häufig und gern verwendet. Nach dem Vietnamkrieg wurde Sài Gòn 1976 in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt – eine symbolische Geste, die Vergangenheitsbewältigung, Verehrung und Würdigung für Ho Chi Minh darstellen sollte, der mit seinem Namen für den Aufbruch aus dem Kolonialismus und die Einigung des Landes steht.

Nach unserem Aufenthalt in der Werkstatt ging es weiter zu den Tunneln, die während des Krieges von den Vietcong genutzt wurden. Diese Tunnel dienten den Soldaten als Verstecke während der Kampfhandlungen und wurden darüber hinaus als Kommunikations- und Versorgungswege, Krankenhäuser, Nahrungs- und Waffenlager sowie Wohnquartiere für zahlreiche nordvietnamesische Kämpfer genutzt.

Von den mehreren Hundert Kilometer langen Tunneln, die alle von Hand gegraben wurden, sind fünf für Touristen zugänglich. Diese Tunnel haben unterschiedliche Längen und wurden so erweitert, dass eher schlanke Besucher hindurchpassen. Unser Guide erklärte uns, dass die ursprünglichen Tunnel eine Größe von etwa 80×80 cm hatten, aber für Touristen auf 120×80 cm vergrößert wurden. So konnten Sascha und ich uns in gebückter Haltung – mehr oder weniger auf allen Vieren – durch die Tunnel bewegen.

Wie wir erfuhren, bewegten sich die Vietcong-Soldaten früher liegend und robbend durch die engen Tunnel. Ich bekam schon in den erweiterten Tunneln Platzangst und konnte mir nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, dort mehrere Tage auszuharren.

Besonders faszinierend waren die versteckten Eingänge zu den unterirdischen Gängen. An einigen Stellen mussten wir uns mit den Füßen voran und den Armen über dem Kopf in die schmalen Öffnungen zwängen. Unten erwartete uns zunächst völlige Finsternis, bis wir nach einigen Metern die ersten Lampen sahen. Wir gelangten schließlich zu einem kleinen Bunker, der von außen wie ein Erdhügel getarnt war. Darin befanden sich schmale Schießscharten, durch die man nach draußen blicken konnte. Der Ausstieg war hinter einem kleinen Holzdeckel verborgen, durch den wir uns mit den Armen voran wieder aus der Grube ziehen mussten.

In einem der Tunnel wurden wir plötzlich von Fledermäusen überrascht, die knapp über unsere Köpfe hinwegflatterten. Das sorgte für einige spitze Schreie in der Gruppe, als sie so dicht an uns vorbeiflogen.

Ein besonderer Abschnitt eines Tunnels war noch in seiner ursprünglichen Größe von 80×80 cm erhalten. Dieser Bereich war etwa 1-2 Meter lang, und man musste auf dem Boden kriechen, um hindurchzukommen. Bei der Vorstellung, dort stecken zu bleiben, bekam ich leichte Panik und entschied mich, vorher aus den Tunneln auszusteigen. Sascha und der Rest der Gruppe machten jedoch weiter. Am Ende war die Ernüchterung bei Sascha groß: Er meinte, dass der Abschnitt so kurz war, dass er kaum Zeit hatte, ihn wirklich wahrzunehmen.

Ein chinesisches Pärchen aus unserer Gruppe wollte anschließend noch den Schießplatz besuchen. Wir konnten mitgehen und ihnen dabei zuschauen, wie sie mit einem Maschinengewehr auf eine Lehmgrube feuerten. Für mich wirkte das irgendwie makaber.

Gegen 13 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg zurück in die Stadt. Die Rückfahrt zog sich jedoch über drei Stunden, da wir uns fast durchgehend im Stadtverkehr stauten. Zum Glück musste niemand dringend auf die Toilette!

Zurück in Ho-Chi-Minh-City verabschiedeten wir uns von Moritz und Jessica. Dass wir die beiden unverhofft zwei Wochen später in Hanoi wiedersehen würden, ahnten wir damals nicht – umso schöner und lustiger war das Wiedersehen später.

Am Abend zog es uns wieder ins Nachtleben. Die Ausgehmeile Bui Vien Street hat uns mitgerissen. Die bunten Lichter und die ausgelassene Stimmung hatte uns von der Stadt überzeugt. Lisa und Nick, das niederländische Pärchen, das wir zu Silvester in Phnom Penh kennengelernt hatten, waren ebenfalls in Sài Gòn, und so trafen wir uns auf ein gemütliches Bier in einer kleinen Bar. Wir tauschten unsere Erlebnisse der letzten Tage aus und erzählten, wie unsere weiteren Reiserouten aussehen würden. Es war schön und lustig, die beiden wiederzusehen. Seitdem ist unsere gemeinsame WhatsApp-Gruppe „Yay Travellers“ in regem Austausch darüber, wo wir uns gerade befinden und wo man sich vielleicht erneut treffen könnte. 😊

Den nächsten Tag verbrachten wir auf unzähligen Märkten und beim Erkunden der Stadt. Wie in fast jeder größeren Stadt Südostasiens gibt es auch hier zahlreiche Märkte, auf denen man gefälschte Markenartikel kaufen kann – von Patagonia und The North Face bis hin zu Ralph Lauren und Gucci.

Wir entschieden uns, einen weiteren großen 40-Liter-Rucksack von „North Face“ zu kaufen, da wir merkten, dass wir langsam mehr Platz brauchten – vor allem für die vielen Souvenirs, die wir bereits gesammelt hatten.

Das Verhandeln auf den Märkten machte uns sogar richtig Spaß, auch wenn wir vermutlich immer noch gnadenlos über den Tisch gezogen wurden. Doch ob es am Ende drei Euro mehr oder weniger waren, störte uns nicht wirklich.

Am dritten Abend trafen wir uns erneut mit Lisa und Nick und probierten uns durch die verschiedenen Biersorten, die Vietnam zu bieten hat. Ich, als unerfahrene Biertrinkerin, fand die meisten Sorten „okay“ bis „gut“. Sascha ging es ähnlich.

Das vielleicht witzigste Erlebnis an diesem Abend war jedoch die Situation auf der Partymeile Bui Vien Street. Offiziell ist es nicht erlaubt, Stühle auf die Straße zu stellen – sitzen darf man nur direkt vor den Bars auf den Gehwegen. Aber offenbar kümmert das niemanden so richtig, denn überall standen Tische und Stühle mitten auf der Straße.

Plötzlich ging es um uns herum los: Lautes Rufen und hektische Bewegungen! Wir saßen zum Glück auf dem Gehweg (also auf der „sicheren Seite“) und beobachteten, wie die Barbesitzer hastig ihre Stühle zusammenklappten und ins Innere der Läden brachten. Verwirrte Touristen wurden aufgefordert, sofort aufzustehen und sich in die Bars zurückzuziehen. Wir waren zunächst perplex, bis wir sahen, dass die Polizei mit Blaulicht und einem kleinen Lastwagen die Straße entlangfuhr. Alle Tische und Stühle, die nicht rechtzeitig weggeräumt wurden, wurden kurzerhand eingesammelt.

Sascha, Lisa, Nick und ich konnten uns vor Lachen kaum halten, so chaotisch und surreal war das Ganze. Ein Polizist setzte sich schließlich vor unseren Augen auf einen falsch geparkten Roller, startete ihn und fuhr einfach davon. Wie wir später erfuhren, wird der Besitzer in solchen Fällen benachrichtigt und kann das Fahrzeug später abholen.

Im Laufe des Abends fanden noch drei weitere Polizeikontrollen statt, aber jedes Mal mit etwas mehr Vorbereitung seitens der Barbesitzer. Entweder wurde das Blaulicht schneller erkannt, oder ein einzelner Polizist kündigte die Ankunft der Gruppe an, wodurch die Ladenbesitzer mehr Zeit hatten, alles rechtzeitig wegzuräumen.

Der Abend dauerte diesesmal nicht sehr lange, denn am nächsten Morgen hieß es für uns: Rucksäcke packen und ab zum Flughafen – es ging weiter nach Zentralvietnam.

Da wir bereits um 7 Uhr das Hotel verließen, um gegen 8 Uhr einzuchecken und nur noch bis 9:30 Uhr aufs Boarding warten mussten … nun ja, vielleicht war es ein Fehler, den Flug für 10 € weniger bei einer Billig-Airline zu buchen. Mit drei Stunden Verspätung starteten wir schließlich übermüdet und hungrig von Ho-Chi-Minh-City nach Da Nang.

Zum Glück wartete unser Abholservice vom Hotel geduldig die gesamte Verspätung am Flughafen und brachte uns direkt nach Hoi An.

Aber dazu erfahrt ihr mehr im nächsten Blog-Beitrag.

Viele liebe Grüße aus Laos!
Jessi und Sascha