Pushkar und Jodhpur – Pilgerorte, blaue Häuser und eine Zipline

Liebe Freunde und Familie,

da sich unsere Zeit in Indien dem Ende neigt und wir uns ein wenig mehr Freizeit eingeplant haben, kann ich endlich meine ganzen Beiträge schreiben. 😄

Da einige gefragt haben – ja, mir geht es wieder gut 😊. Das Magen-Darm-Ding war eher eine kleine Alltagsfliege, und mir geht es inzwischen wieder ganz normal. Trotzdem vielen Dank für die lieben Genesungswünsche! 😊

Unserer Weiterfahrt nach Pushkar stand also nichts mehr im Wege. Gegen 10:30 Uhr verließen wir Jaipur und fuhren die knappen 2,5 Stunden in Richtung der Kleinstadt. Mit ihren knapp 22.000 Einwohnern war Pushkar die kleinste Stadt, die wir in Indien gesehen haben. Fast ausnahmslos wohnen hier nur Hindus. Warum das so ist, erzähle ich später. 😊

Früher galt Pushkar als eine bekannte viehzüchtende Nomadenstadt. Noch heute gibt es hier im November einen riesigen Kamelmarkt, bei dem für die vielen Besucher eine Zeltstadt mit rund 10.000 Zelten rund um die Stadt errichtet wird. Der Kamelmarkt war früher wohl wirklich nur für den Handel mit Kamelen bekannt, mittlerweile hat er sich zu einem kleinen Volksfest entwickelt, zu dem jährlich Hunderttausende kommen. Der Markt zählt zu den größten Kamelmärkten weltweit.

Von den vielen Menschen und Kamelen war bei unserer Ankunft natürlich nichts mehr zu sehen, abgesehen von der großen Menge Plastikmüll, der sich auf dem Gelände des Marktplatzes zu kleinen Bergen aufgetürmt hatte.

Sunil ließ uns am Stadteingang aussteigen (meist dürfen Autos nicht in die kleineren Innenstädte oder Altstädte fahren), und wir legten die letzten zehn Minuten zu Fuß bis zu unserem Hotel zurück.Und was sollen wir sagen? Uns gefiel einfach, was wir sahen. Auch wenn links und rechts an den kleinen Ständen viele verschiedene Dinge angeboten wurden (von Stoffen über Säbel, Kinderspielzeug bis hin zu Patchworkdecken), merkten wir schnell, wie viel entspannter die Menschen hier waren. Hin und wieder begegneten uns Europäer, die in Pushkar ein Aussteigerleben führen. Es ist nachvollziehbar, warum sie an diesem Ort geblieben sind.

Pushkar ist rund um einen See angelegt, der für die Hindus heilig ist. Deshalb ist die Stadt auch eine bedeutende Pilgerstätte. Die Gläubigen kommen hierher, um im heiligen Wasser des Pushkar-Sees zu baden, sich reinzuwaschen und für die Gesundheit ihrer Familien zu beten.Warum ist der See heilig? Angeblich ruht im See Brahma, der Schöpfergott des Universums im Hinduismus. Außerdem gibt es in Pushkar den einzigen Tempel für Brahma. Es ist der einzige Ort, an dem er noch verehrt werden darf.

Rund um den See gibt es viele weitere Tempel für andere Gottheiten. Wir fanden unter anderem Tempel für Shiva und Kali, die beide als Götter der Zerstörung verehrt werden. Der Glaube an Brahma ist nicht mehr so verbreitet, da die Schöpfung der Welt abgeschlossen ist. Daher werden heute eher Shiva (Gott der Zerstörung) und Vishnu (Gott der Erhaltung) verehrt. Ich muss aber ehrlich sagen: Der Glaube und die vielen Götter im Hinduismus sind für mich ein wenig komplizierter, als ich in Worte fassen kann.Pushkar empfanden wir als einen sehr ruhigen und entspannten Ort, was uns sehr gefallen hat. Wir umrundeten den See in etwa 30 Minuten und ließen uns durch die Gassen treiben. Unser Hotel hatte einen kleinen Hinterhof mit vielen Liegemöglichkeiten, und ich konnte endlich mein neues Buch (ein eReader – super praktisch für die Reise!) zur Hand nehmen und etwas lesen. Da in Pushkars Gassen nur Motorräder, aber keine Autos oder TukTuks unterwegs sind, war es so ruhig wie schon lange nicht mehr. Mit einem leckeren Abendessen in einem nahegelegenen Restaurant beendeten wir diesen entspannten Tag und machten uns bereit für den nächsten Stopp: Jodhpur.Die Autofahrt nach Jodhpur verbrachte ich größtenteils schlafend. So leise Pushkar war, so laut waren unsere Zimmernachbarn in der Nacht. Sie hämmerten ohne Rücksicht auf Verluste an Türen, knallten diese lautstark auf und zu und waren selbst um drei Uhr nachts noch fit wie ein Turnschuh.

Da kam die fünfstündige Autofahrt gerade recht! Dass wir uns auf der Rückbank anschnallten, nahm Sunil uns am Anfang noch ein wenig übel – schließlich sei er ein ruhiger Fahrer, und wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen. Auf den örtlichen Autobahnen darf ohnehin nicht schneller als 80 km/h gefahren werden. Trotzdem schnallten Sascha und ich uns jeden Morgen aufs Neue an. 😄

Jodhpur wird übrigens auch die „blaue Stadt“ genannt. Allerdings ist nur der Teil direkt unterhalb der Festung blau angemalt – der Rest ist in den üblichen Braun- und Grautönen gehalten. Unser Hotel lag bewusst in diesem blauen Teil der Stadt, und ich hatte mich sehr darauf gefreut. Es lag direkt am Berg mit Blick auf die Festung.Hier führt Henna mit ihrer Familie ein kleines Guesthouse. Sie kocht selbst für die Gäste (mit ein wenig Wartezeit), und die Zimmer sind liebevoll hergerichtet. Allerdings muss man lernen, den Geruch aus dem Duschabfluss zu ignorieren – genauso wie die vier Straßenhunde, die sich nachts direkt vor unserem Fenster lautstark „unterhielten“. Trotz Oropax hatte ich keine erholsame Nacht. Aber da muss man durch, sagte ich mir. Das gehört eben dazu. Sascha hatte zum Glück schlafreiche Nächte, also dachte ich: „Zwei Tage halte ich das aus, die nächste Unterkunft wird bestimmt besser.“ (Hier bitte ein lautes, sarkastisches Lachen einfügen.)

Jodhpur ist eine relativ große Stadt mit etwa 1,5 Millionen Einwohnern. Nach einem kurzen zehnminütigen Fußmarsch gelangten wir von unserem Hotel aus direkt zu einem Aussichtspunkt unterhalb der Festung, wo wir den Sonnenuntergang beobachten wollten. Dort trafen wir auf Carmen, eine deutsche Studentin, die gerade einen viermonatigen Aufenthalt in Bangalore hinter sich hatte und nun ihre restliche Zeit in Rajasthan reisend verbrachte. Wir unterhielten uns den halben Abend mit ihr und stellten fest, dass wir die gleiche nächste Zielstadt hatten und auch am gleichen Tag aus Indien abreisen würden. Wir verabredeten uns für unsere nächste Stadt und verabschiedeten uns zunächst von ihr.

Am nächsten Tag machten wir eine kleine Tour durch Jodhpurs Altstadt, um mehr von den Graffitis und blauen Häusern zu sehen (diese könnt ihr unten in der Bildergalerie bestaunen). Leider begegnete uns dabei mehr Hundekot auf der Straße, als wir je zuvor gesehen hatten. An einem offenen Fenster fiel plötzlich ein leerer Blisterstreifen einer Medikamentenverpackung fast auf Saschas Kopf. Streunende Hunde liefen uns ständig über den Weg, und einmal mussten wir in einer Gasse umdrehen, da Sascha von zwei Hunden laut angebellt und angeknurrt wurde – wir hatten wirklich kurz Angst. An diesem Punkt dachten wir uns: „Wir testen jetzt lieber nicht, wie gut unsere Tetanusimpfung wirklich ist.“Trotzdem trafen wir auf einen netten älteren Herrn, der uns, trotz Sprachbarriere (er konnte kein Wort Englisch), eine Abkürzung über zahlreiche Treppenstufen den Berg hinauf zeigte. So brauchten wir anstelle von 30 Minuten nur noch 10 Minuten zurück – und hatten dabei noch eine tolle Aussicht über Jodhpur, ganz ohne Straßenhunde oder ihre Hinterlassenschaften. Wir ersparen euch hierzu die Bilder. 😉Worauf wir uns aber besonders freuten, war unsere für den Nachmittag gebuchte Zipline-Tour. Mit der Seilbahn schwingt man sich über die alte Festung der Stadt – eine gigantische Aussicht ist garantiert! Wir hatten die Tour extra für 16:30 Uhr gebucht, um beim Sonnenuntergang belohnt zu werden. Und das Warten hat sich gelohnt. Trotz anfänglichem mulmigen Gefühl wegen der Höhe war es großartig, sich über die sechs verschiedenen Ziplines zu schwingen. Jede Landung wurde etwas besser, und die komplette Strecke von 1,2 Kilometern gab uns den ultimativen Adrenalinkick. In etwa 1,5 Stunden überflogen wir den kleinen See und die alten Befestigungsanlagen – ein unvergessliches Erlebnis!Mit diesem würdigen Abschluss verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen von Henna und ihrer Familie und machten uns gemeinsam mit Sunil auf den Weg zu unserem letzten Ziel in Indien: der Wüstenstadt Jaisalmer.

Dazu dann mehr im nächsten Beitrag!

Liebe Grüße aus Indien!

Jessi & Sascha